Seelenschacher. Krimi.
Martin Mucha, Gmeiner, Februar 2011

Seelenschacher

»Ich verbrachte also den Sommer damit, in meinem Büro zu sitzen und an meiner Habil zu basteln. Während der langen, einsamen Stunden kann man förmlich zusehen, wie die angenehme Kühle des Morgens der brütenden Hitze des Mittags weicht, um im Laufe des Nachmittags in drückende Schwüle überzugehen. An guten Tagen beginnt es um halb vier zu regnen. In großen, schweren Tropfen. Wer dann keine brauchbare Tasche hat, dem verläuft auf dem Nachhauseweg die Tinte der Manuskripte und ein ganzer Tag voller Arbeit ist dahin. Ist mir schon passiert, seitdem kleidet ein Plastiksackerl vom Hofer meine alte Ledertasche von innen aus. Hässlich, aber zweckmässig.
An jenem Mittwoch kletterten die kleinen Celsiusse fleißig nach oben, bis zum Mittag war es noch ein Stücken Zeit. Ich hatte mir gerade eine neue Tasse Tee eingeschenkt, die Füße seitlich auf den Schreibtisch gelegt und weidete mich am Anblick der mumifizierten Topfpflanzen, die mir mein Vorgänger hinterlassen hatte, als es an der Tür klopfte. Den Blumenmumien ging es besser als mir.«

Ein alter Bekannter besucht Arno Lindner, der mit Lektoratsaufträgen mehr schlecht als recht sein Leben fristet. Erich, ein Dominikanermönch. Mittlerweile ist er Sekretär des Bischofs. Und hat ein Problem. Ein Kredithai, hat die heilige katholische Kirche auf Umwegen erfahren, kauft Seelen auf.

Eigentlich eher absurd, aber das hat die Hardcore Theologen aufgeschreckt, es könnte ja vielleicht doch his satanic majesty dahinter stecken? Natürlich glauben wir nicht daran, oh nein, aber wir müssen als Kirche natürlich sichergehen. Das Seelenheil unserer Schäfchen ist uns wichtig.

So bekommt Arno wieder einen neuen Auftrag nach dem [[ASIN:3839210542 Papierkrieg]]. Bald taucht eine wunderschöne junge Journalistin auf, die auf einen echten Wiener Namen hört und äthiopische Vorfahren hat. Arno geht mit ihr essen und hat am nächsten Morgen die Kiberer, die Kripo am Hals. Denn er war der Letzte, der die Dame lebendig gesehen hat.

Wieder nimmt uns der Autor mit auf eine Reise durch Wien, diesmal ruhiger als der actionreichere Papierkrieg, aber genauso spannend. Spinner, die die Nazitheorie von der Hohlwelt beweisen wollen, Nurflügler, mit denen die Nazis den Krieg gewinnen wollten, ein pensionierter Einbrecherkönig, ein geschickter Spekulant mit Regierungsgeldern auf den Caiman Inseln und natürlich Seelenbrecher der ganz eigenen Art tauchen auf. Mucha stellt uns ein buntes Panoptikum von Figuren vor, denen man nur in Wien begegnen kann, schildert uns verschiedenste Plätze der k.u.k. Metropole ohne je zu langweilen oder wie ein Reiseführer zu klingen und liefert einen schrägen Krimi der besonderen Art ab. Nichts für Krimi-Realisten, die ihr Herz an Spurensicherung und möglichst realistische Morde verloren haben, aber etwas für alle, die eine schräge GEschichte, einen guten Tee und dazu einen guten Blues zu schätzen wissen. Und natürlich einen guten Wiener Schmäh.

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