Saeculum. Thriller.
Ursula Poznanski, Loewe, November 2011

Saeculum

»Das Gefühl, nichts erledigen zu müssen, keine Verpflichtungen zu haben, war so wundervoll, dass Bastian darauf verzichtete, sich den anderen bei der Spielaufgabe noch anzuschließen. Was sie suchten, hatte er auch beinahe schon wieder vergessen. Irgendeinen Feind. Den würden sie auch ohne ihn finden.
Satt und glücklich blieb er im Gras liegen, beobachtete abwechselnd die Harfe spielende Iris und die schwarz gekleidete Doro, die am Rand des Lagers entlang schlich und Beschwörungsformeln murmelte. Sollte sie doch. Hier war Freiheit. Morgen würde er auch mal an einer Spielaufgabe, irgendeiner Quest, teilnehmen, wenn er Lust dazu hatte.«

Bastian ist Student, ein sehr eifriger Medizinstudent. Ein „Musterschüler“ findet Iris, die nicht wie eine Musterschülerin aussieht mit ihrem zerrupften, mehrfach gefärbtem Haar. Bastian findet das auch, denn außer dem Medizinstudium gibt es wenig in seinem Leben. „Dass ich ein Arschloch bin“, ist seine größte Furcht.

Bis Sandra auftaucht. Die ist Rollenspielerin, geht auf Mittelalterfeste und was tut ein junger Mann nicht alles, wenn ihm ein hübsches Mädchen zum Dank dafür anlächelt? Er folgt ihr sogar auf ein Mittelalterspiel, weitab von der Zivilisation, ohne Handy, ohne Medizinbücher – und ohne Medikamente.

Doch da ist der Fluch, von dem eine alte Sage spricht, der auf dem Ort lastet. Wegen dem Blutbad, das ein Bruder anrichtete, um seinen Halbbruder zu beseitigen. „Niemand wird diesen Ort verlassen können“, orakelt Doro, die gerne die Runen wirft. Sie sieht Unheil.
Und dann verschwindet jeden Tag ein Teilnehmer, der Rettungstrupp, der Hilfe rufen soll, scheitert und Sandra ...

Aber das will ich nicht verraten.

Eigentlich kennen wir dieses Konzept zur Genüge. Kleine Gruppe, es gibt keinen Fluchtweg, das Grauen greift um sich und jeden Tag verschwinden Teilnehmer. Hat schon Agathe Christie geschrieben. Hat einen soooo langen Bart.

Doch die Autorin kann das alte Konzept auf ganz neue Art zum Leben erwecken. Mit ihren Figuren, ihrer eindrücklichen Sprache, den Ereignissen und den Fehlentscheidungen der Teilnehmer. Tu’s nicht! Möchten wir ein ums andere Mal den Helden zurufen und glauben der Autorin doch, dass die Personen genau das tun werden. Weil es so sehr zu ihrer Persönlichkeit passt. Weil wir es in der Situation auch getan hätten, im Stress, in Angst und uns genauso später in den Hintern gebissen hätten deswegen.

Wie der Stress die Gruppe entzweit, wie Einzelne unter dem Druck zusammenbrechen, wie das Mittelalter Einzug hält und wir verstehen, wie es zu Hexenverbrennungen und Aberglauben kommen konnte.

Sogar meinen Saunabesuch hat das Buch verlängert. Deutlich verlängert. Sonst nerve ich meine Frau, wenn es mir langweilig wird. Diesmal musste sie mich an den Haaren aus der Sauna schleifen, so unwillig war ich, das Buch zuzuklappen, wenn es auch nur für eine halbe Stunde war, bis ich weiterlesen konnte.

Fast möchte man meinen, Stephen King habe sich ein neues Pseudonym zugelegt. Das einer Wienerin, damit man ihn nicht so leicht enttarnen kann, so gekonnt spielt die Autorin mit den Nerven der Leser. Nicht nur für Stephen King Fans ist Saeculum ein absolutes Muss.

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