Rashida. Roman.
Marc Buhl, Eichborn, Februar 2005


Der Lauf zu den Quellen des Nils

"Mensen war so schnell, dass die Hunde ihn nicht einholen konnten. Sie hatten ihn seit dem Hof von Haraldson verfolgt, aber Mensen lief über die fetten Wiesen, vorbei an den Ställen und behielt seinen Vorsprung. Er sprang mit einem Satz über den Zaun und rannte quer durch den Obstgarten des Schulhauses. Der Ranzen, den ihm die Mutter auf den Rücken geschnallt hatte, war leicht, und Mensen versuchte bei jedem Sprung, den Boden nicht mehr zu berühren. Jeder Schritt war ein neuer Versuch, einmal würde es klappen, und er würde oben bleiben und nur eine Spur in der Luft hinterlassen, die der Wind leise verweht."

Ernst Mensen kann nicht stillhalten. Nicht in der Schule und auch nicht später. Dafür kann er laufen, endlos, Meile um Meile und bald macht er aus diesem Talent einen Beruf. Er wird Läufer, Schauläufer. Erst Botenläufer für einen englischen Adligen, später trifft er Freiherr von Wedemeyer, einen verarmten Adligen, der für ihn immer neue Schauläufe organisiert, die Mensen ein auskömmliches Leben erlauben. Er läuft von München nach Athen, von Paris nach Moskau in vierzehn Tagen und trägt dabei Nachrichten für die revolutionären Bewegungen in Europa in der Tasche.

Doch er findet keine Ruhe und keine Heimat. Selbst in Anrode, dem Schloss, zu dem er immer wieder zurückkehrt, hält es ihn nie lange. Beatrice, die Frau, die ihn liebt, kann ihn nicht fesseln.

Und eines Tages beschließt er, sich seinen alten Traum zu erfüllen, einen Lauf entlang des Nils bis zu den - in Europa bisher unbekannten - Quellen des Nils.

Die Geschichte von der Entdeckung der Langsamkeit ist bekannt. Verlag und Autor haben sie offensichtlich als Anlass genommen, um dieses Buch zu lancieren. Ein weiterer Blockbuster? Diesmal die Entdeckung der Schnelligkeit?

Nicht ganz. Denn wie es einen historischen Franklin gab, gab es auch den norwegischen Wunderläufer Ernst Mensen, der tatsächlich von Paris nach Moskau, von Konstantinopel nach Kalkutta lief, an zahlreichen Schauläufen teilnahm und von dem Laufen lebte. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war er als "schnellster Mann aller Zeiten" aber auch "Närrischer, oder wohl gar vom Teufl besessener" weltberühmt. Schon damals suchte man den Superstar.

Doch Marc Buhl wollte nicht nur einen Tatsachenroman schreiben, er hat durchaus auch literarische Ambitionen, will sich an "der Entdeckung der Langsamkeit" messen. Das merkt man grade am Anfang, am Inhalt wie am Stil. Beides möchte dem großen Vorbild nahe kommen. Das aber gelingt nicht so recht, kann auch gar nicht gelingen.

Und obwohl der Roman sich auf weiten Strecken spannend liest, hat er in der Mitte einige Längen, Seiten, auf denen nur noch Mensens neue Leistungen rapportiert werden, aber es wird nicht mehr erzählt. Auch der Schluss kann nicht richtig überzeugen. Dass Mensen da - beinahe - findet, was er immer gesucht habe, ohne dies zu wissen, ist leider wenig überzeugend geschildert.

So bietet das Buch solide Unterhaltung, einen Blick auf wenig bekannte Seiten des neunzehnten Jahrhunderts, lohnt also durchaus die Lektüre. Aber eine neue Entdeckung der Schnelligkeit ist es wahrlich nicht.


Leseprobe

Über den Autor: Marc Buhl wurde 1967 ins Sindelfingen geboren, reiste lange durch Asien und Afrika und studierte danach Betriebswirtschaft, Politik, Germanistik und Anglistik. Heute lebt er als Studienrat in Freiburg. Vor Rashida hat er bereits einen Roman geschrieben: "Der rote Domino".

Rashida, Marc Buhl, Roman, Eichborn, Februar 2005
ISBN 3-8218-5747-1, gebunden, 206 Seiten, Euro 13,95

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