Pink Moon. Roman.
Frank Goosen, Eichborn, August 2005



Vater suchen? Oder besser doch nicht?

"Sie hatte mir nicht viel über ihn erzählt, aber wenn sie es doch tat, endete sie so: ‚Seine blauen Augen haben mich um den Verstand gebracht. Er war ein Held und ein toller Tänzer!' Keiner von den Vätern, die sie zwischendurch an mir ausprobierte, erfüllte diese Kriterien. (...) Ihr schwarzes Haar türmte sich auf ihrem Kopf in die Höhe, rollte sich vom Kinn weg oder hing einfach herunter, nur sah es nie ordentlich aus. Ich hatte keinen Papa, und sie sah nicht aus wie eine Mama."

Felix Nowak kennt seinen Vater nicht. Doch so richtig belastet ihn es nicht, überhaupt belastet ihn nichts im Leben, andere haben Sorgen, Felix hat sein Kapital im Restaurant "Pink Moon" angelegt, die Arbeit tun andere und er beobachtet.

Doch eines Tages begegnet ihm sein Vater, der angeblich seit neunzehn Jahren tot ist. Er folgt ihm, verliert seine Spur, lehnt sich wieder zurück und beobachtet das Leben. Der anderen, wohlgemerkt. Felix gehört zu einer Spezies Mensch, die in Deutschland seit 1914 als ausgestorben galt, in letzter Zeit aber wieder häufig gesichtet wird: Er ist Privatier, lebt von seinem ererbten Kapital. So erzählt er - bzw Goosen - uns Lesern aus seinem Leben. Als ob sich abends in der Kneipe jemand an unseren Tisch setzt und so langsam anfängt, zu plaudern.

Das ist auch das Problem. Felix ist eher ein Langweiler, er möchte sich in nichts engagieren und so redet er auch. Bald hatte ich beim Lesen das Gefühl, es wäre Zeit, die Kneipe heimlich zu verlassen. Wie Felix: Durch den Hintereingang.

Man kann über Langweiler schreiben, über Leute, die möglichst nur beobachten wollen, den eigenen Wahrheiten möglichst den Rücken kehren. Aber muss das deshalb so langweilig wie in diesem Buch beschrieben werden?

Denn nach der Vatersuche, die noch Leben atmet, verflacht der Text, mischt Belangloses mit interessantem und selbst absurd-witziges wird so erzählt, dass der Witz untergeht. Da wird endlos beschrieben, zum Beispiel über eine Seite lang nichts anderes als die Titel, die sich in einem Bücherregal finden. Nun sagen Bücherregale und ihr Inhalt viel über die Besitzer aus und das geschilderte macht da keine Ausnahme. Allerdings hätte es dafür keiner Seite bedurft, ein Absatz hätte gereicht.

An manchen Stellen häufen sich auch nichtssagende Adjektive wie Laub im November, da passiert vor allem nichts, das aber wird ausufernd geschildert und manchmal holpert und kracht die Sprache auch stilistisch und trägt so das ihre zum Gähnen bei.

Obendrein liest sich das Ganze sehr zusammengezimmert. Alle bedauern Felix, fragen ihn wie es ihm geht, er solle sich schonen. Doch obwohl alle es wissen und Felix auch, verrät uns keiner, was dem Armen denn zugestoßen ist. Kolportageschriftsteller (schlechte jedenfalls) versuchen mit solchen Tricks Spannung zu erzeugen. Es funktioniert fast nie.

Frank Goosen ist ein arrivierter, erfahrener Autor. Doch dieser Trick gelingt ihm auch nicht, sondern ich fühle mich als Leser verschaukelt, wenn dann auf den letzten Seiten verraten wird, was alle wissen.

Gleiches gilt für das Berliner RAF-Geiseldrama um den CDU Vorsitzenden Peter Lorenz. Es taucht immer wieder im Text auf, als Streitpunkt zwischen Felix Mutter und ihrem zeitweiligen Lebensgefährten Jürgen. Irgendwie ist der darein verwickelt oder sympathisiert mit der RAF; auf jeden Fall ist es wichtig, folgert der Leser, doch Goosen verrät es uns nicht. Aus gutem Grund, denn es hat gar nichts zu bedeuten, außer dass Goosen damit Spannung erzeugen will.

Felix erste Erinnerung stammen aus seinem vierten Lebensjahr. Seine Mutter verkehrte damals in Hippiekreisen, das tat sie mehrere Jahre lang. Danach lernte sie Jürgen kennen, zog mit ihm zusammen und das waren ebenfalls mehr als ein Jahr. Schließlich trennen sich die Beiden und Felix ist sechs. Offenbar ist es ihm gelungen in zwei, drei Jahren etwa fünf Jahre zu erleben.

So ist der Mittelteil einfach ebenso misslungen wie langweilig.

Doch im letzten Drittel scheint Goosen alle seine schriftstellerischen Fähigkeiten wiedererlangt zu haben. Die Erzählung gewinnt Fahrt, der Leser blickt wieder durch, statt ins Leere.

Wenn der Mittelteil auch nur halb so gut gelungen wäre, wäre dies ein Spitzentitel. So ist mir selten bei einem Buch das Lesen wie die Rezension so schwer gefallen wie bei diesem.

Fazit: Ein guter Anfang, ein Mittelteil, bemüht langweilig wie der Protagonist und ein hervorragender Schluss machen es schwer, diesen Roman zu beurteilen.

Leseprobe
Homepage des Autors

Über den Autor: Frank Goosen wurde 1966 im Ruhrpott geboren und studierte in Bochum Geschichte, Germanistik und Politik. Er trat mit verschiedenen Programmen als Kabarettist auf und mit seinem ersten Buch "Liegen lernen" gelang ihm 2001 der Durchbruch. 2003 gewann er den Ruhrgebietsliteraturpreis.

Pink Moon, Frank Goosen, Eichborn, August 2005,
gebunden, 300 Seiten, ISBN -8218-0919-1, 19,90 €

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