Nörgeln – des Deutschen größte Lust. Nögelratgeber.
Eric T. Hansen, Fischer, August 2010
»Der Mensch nörgelt, seit der den Mund aufmacht, aber bis auf den heutigen Tag gibt es kein wissenschaftliches Fach, das sich mit Nörgelei befasst. Es scheint, dass wir immer am wenigsten über die Dinge wissen, die wir am liebsten tun.
[...]
Denn Nörgeln ist kein Privatvergnügen, wie in der Nase bohren. Es ist das ursprüngliche Fundament der Gesellschaft und die heimliche Quelle nationaler Identität. Es gibt jedem Deutschen einen Grund zum leben. Um es mit Descartes zu sagen: Ich nörgle, also bin ich.«Wer tiefer in die Kunst des Moserns, Nörgelns und Bedenkentragens einsteigen will, kommt um diesen Nörgelratgeber kaum herum. Denn der Autor verrät uns, wie man auch in einem rundum abgesicherten Leben das Nörgeln nicht vergisst; verrät uns wie man mit wenigen Worten wie „Klischee“, „nicht ausdifferenziert“ und „Spaßgesellschaft“ jeden Spaß im Keim ersticken kann und den Ruf eines kritischen, eines systemkritischen Geistes erlangt; wie das Nörgeln Gemeinschaft stiftet; wie man damit für die Wirtschaft bremst und immer die richtigen Bedenken zu rechten Zeit äußert.
Ein unentbehrliches Kompendium des Deutsch-Hawaianers Hansen, der uns erahnen lässt, warum Sarrazin mit seinem Buch so erfolgreich wurde. Weil er es so gut verstand, den Untergang Deutschlands zu prophezeien und gleichzeitig auch seinen Gegnern ermöglichte, über sein Buch zu nörgeln, ohne es je lesen zu müssen.
Wer aber glaubt, dass die Türken nicht integriert seien, kann hier Hoffnung schöpfen. Auch die geben sich Mühe, immer besser in der nationalen Nörgelmeisterschaft zu werden, beweist uns Hansen.
Im letzten Kapitel zeigt er dann, dass nirgendwo so perfekt über alles genörgelt werden kann, wie in Deutschland. Wer glaubt, er könne einen Satz finden, der nicht umgehend von erfahrenen Nörgelmeistern zerpflückt werden könnte, der irrt. Sogar das große Geheimnis wird gelüftet, über das hierzulande niemand zu sprechen wagt, weil es so unschicklich ist, wie Sex im viktorianischen Zeitalter. Warum bleiben sie in Deutschland, all die quengeligen Türken und Deutschen, fragt er sich, die immer und überall beweisen, wie schlimm es hierzulande ist und dass alles immer schlimmer wird?
Al blickte sich vorsichtig um.
„Ich kann nur sagen, ich mag es hier“, wisperte er. „Wem es nicht gefällt – ob türkisch oder deutsch – der soll doch gehen.“Doch soviel Wahrheit gesteht ein richtiger Nörgler in Deutschland nur eingewanderten Hawaianern wie Eric T. Hansen ein. Und nur nach dem dritten oder vierten Kaffee.
Auch wenn einige Kapitel sich ziehen – etwa die über die Dialekt Schimpfworte -, das Buch als ganzes ist eine vergnügliche Reise durch deutsche Nörgelbefindlichkeiten. Davon lässt er sich auch durch die Gute-Laune-Mafia nicht abbringen, die sich skrupellos bemühen, ehrliche Benkenträger davon zu überzeugen, dass Nörgeln sinnlos sei.
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