New World – Die Flucht. Jugend-Sf.
Patrick Ness, Ravensburger, Februar 2009
»Das Erste, was du herausfindest, wenn dein Hund sprchen lernt, ist, dass Hunde nicht viel zu sagen haben. Und das in jeder Beziehung.
„Muss kacken, Todd“
„Halt die Schnauze, Manchee“
„Kacken, kacken, Todd“«
Prentisstown liegt auf einem anderen Stern. Die Menschen sind in jahrelanger Reise im künstlichen Tiefschlaf hierher gekommen. In der Hoffnung auf ein besseres Leben, ein einfaches Leben ohne Umweltverschmutzung, Übervölkerung und Kriege.
Leider hatte das Paradies einen Nachteil. Ein Virus tötete binnen kurzem alle Frauen und die Gedanken der Männer konnten von allen gelesen werden. Und die Tiere können sprechen, auch wenn sie wenig zu sagen haben.
Todd ist der jüngste, in einem Monat wird er vierzehn Jahre alt werden und dann ist er ein Mann.
In der Stadt ist alles erfüllt vom Lärm der Gedanken. Denn das ist die Folge, dass alle Gedanken der Männer von allen gehört werden können. Niemand kann sich diesem Lärm entziehen, er ist allgegenwärtig.
Eines Tages geht Todd in den Sumpf, um ein paar Sumpfäpfel zu holen. Auch dort ist Lärm, weil selbst die Krokodile reden, aber längst nicht so viel wie in der Stadt.
Und dort entdeckt er etwas. Ein dunkles Loch, etwas, was kein Lärm ist, dennoch wahrnehmbar. Eine Frau. Sie macht keinen Lärm, ihre Gedanken kann er nicht hören, er nimmt nur ein schwarzes Loch war. Reden tut sie auch nicht. Sie wirkt verstört.
Der Priester des Ortes und der Bürgermeister sind bald mit Gewehren hinter ihm her; Ben und Cillian, Todds Ziehväter sagen ihm, dass er fliehen muss, aber wollen nicht verraten, warum. Dabei gibt es etwas, was sie ihm verheimlichen, das liest er in ihrem Lärm. Doch er bekommt es nicht heraus.
Von nun an ist er auf der Flucht, gejagt von einer Gruppe wahnsinniger Männer und muss feststellen, dass New World ganz anders ist, als ihm erzählt wurde. Die Geschichte der Siedler hat ein Geheimnis, das sich nur langsam löst. Hinter jeder Biegung wartet eine neue Überraschung.
Aber nichts ist in diesem Buch an den Haaren herbeigezogen. Patrick Ness hat konsequent eine Welt erschaffen, in der die Gedanken aller einen ständigen Lärm produzieren, die der Frauen aber nicht. Doch auch die Frauen können die Gedanken der Männer lesen.
So entstand eine bedrückende Geschichte. Der junge Todd ist der Ich-Erzähler und Patrick Ness lässt uns seine Gefühle, seine Ängste, seine Gedanken hautnah erleben. Nicht immer angenehm, trotzdem verständlich, auch wenn wir oft dem Jungen zurufen möchten: Nein, so nicht! Denn Todd tut oft Dinge, die er besser nicht getan hätte, ist unsicher, schlägt falsche Wege ein. Manchmal ist das schwer erträglich. Auch wenn der Autor uns es durchaus nachvollziehbar erleben lässt.
Zusammen mit der geschliffenen Sprache zieht das Buch den Leser sofort in Bann. Manchmal muss man es dann doch weglegen, weil es schwer erträglich ist, nur um es kurze Zeit später wieder in die Hand zu nehmen. Eigentlich ist das kein Jugendbuch, sondern ein sehr ungewöhnlicher, ganz eigener Science Fiction, einer, der nicht die üblichen Verdächtigen beschreibt, nicht die übliche Wege geht, in sich konsequent und packend. Also für Erwachsene genauso geeignet wie für Jugendliche. Nur dass vermutlich kein Verlag ein solches Buch in der Erwachsenen-Reihe herausbringen würde. Dazu ist es zu weit weg von den gängigen Klischees.
Den Guardian Children’s Fiction Prize hat es gewonnen und das auf jeden Fall verdient.
Fazit: Ein ganz ungewöhnlicher Science Fiction, der den Leser in die Gedanken wie die Abenteuer des jungen Todd einführt – und was geschehen kann, wenn jeder die Gedanken des anderen ständig hören muss.
New World – Die Flucht, Jugend-Sf, Patrick Ness, Ravensburger, Februar 2009
Originaltitel: The knife of never letting go, Chaos Walking Book one
Aus dem Englischen von Petra Koob-Pawis
ISBN-13: 978-3-473-35299-9, gebunden, 539 Seiten, Euro 16,95Das Buch bei Amazon
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