Geheime Melodie. Roman.
John Le Carré, List Verlag, September 2006
Bruno Salvadore, genannt Salvo, ist Dolmetscher und zwar einer der besten. Er spricht nicht nur Englisch, Französisch und Swahili perfekt, sondern auch die lokalen Sprachen des Ostkongos, seiner Heimat. Niemand ist so wie Salvo in der Lage, sogar aus der lokalen Dialektfärbung die genaue Herkunft der Sprecher zu bestimmen. Er ist kein Übersetzter - übersetzen kann jeder, der zwei Sprachen spricht -, er ist ein wirklicher Dolmetscher, der sich in die Stimmen seiner Gegenüber versetzt, nicht nur die Worte, sondern auch den Klang und die Zwischentöne seinen Kunden vermittelt. Auch der britische Geheimdienst weiß dies zu schätzen.
Eines Tages, er ist gerade auf einer wichtigen Party seiner Karrierefrau, einer aufstrebenden Journalisten, ruft ihn sein Geheimdienst-Chef an und eröffnet ihm, er habe einen lukrativen, sehr wichtigen Auftrag. Fünftausend Pfund, aber er muss sofort los und zwei Tage eine geheime Konferenz dolmetschen. Doch beim Dolmetschen bleibt es nicht, wie er bald feststellt. Die Konferenz geht über den Ostkongo. Seit Jahren versinkt dieses rohstoffreiche Land in Chaos und Anarchie; Stammeskriege, Intrigen mächtiger Multis und Invasionen des benachbarten Ruanda haben es im Chaos und Bürgerkrieg gestürzt. Jetzt sitzen einige der verfeindeten Gruppen an einem Tisch. Werden sie sich einig werden?
Salvo ist stolz auf seine Aufgabe. Sie dient nicht nur seiner neuen Heimat Großbritannien, sondern wird auch der alten endlich Frieden und Hoffnung bringen. Doch dann belauscht er, was er nicht hören sollte, gesprochen in einer lokalen Sprache. Und er erkennt, was wirklich auf dieser Konferenz verhandelt wird. Jetzt muss er tun, was er am schlechtesten kann: Handeln.
LeCarre verbindet in diesem Buch wieder aktuelle Politik mit lebendigen Menschen, die in deren Mühlen geraten und natürlich Geheimdiensten, die diese Politik hinter den Kulissen steuern wollen. Salvo ist einmal mehr der Mann zwischen den Fronten, der zerrieben wird: Wo gehobelt wird, fallen eben Späne.
Und doch fehlt diesem Buch etwas. Denn dieser Salvo, der sich so perfekt auf seine Gegenüber einstellt, die er dolmetscht, dieser Salvo wirkt nicht nur blass - was bei einer solchen Figur nicht verwundern würde -, sondern auch ein wenig am Reißbrett gezeugt. Vielleicht ist es auch einfach wesentlich schwieriger, sich in einen Kongolosen hineinzudenken als in einen Engländer.
Salvo erzählt seine Geschichte aber des öfteren merkt der Leser: Hier spricht nicht Salvo, hier spricht der Autor LeCarre. Auch der große Strippenzieher im Hintergrund, ein von Salvo bewunderte Lord und Philanthrop teilt dieses Schicksal. Es sind Nebenfiguren, die diesmal Leben gewinnen: der Dandy Haj, die verfeindeten Milizenführer Franco und Dieudonne.
Dennoch: Auch ein mäßiger LeCarre ist immer noch ein spannender Thriller. Nur hat er eben nicht die Faszination der großen LeCarre-Romane wie die Libelle.
Fazit: Spannender Thriller, auch wenn er keiner der großen LeCarre Romane ist.
Homepage des Autors
Geheime Melodie, John Le Carré, Roman, List Verlag, September 2006
Originaltitel: The Mission Song, aus dem Englischen von Sabine Roth und Regina Rawlinson
ISBN 10: 3-471-79547-2, ISBN 13: 978-3-471-79547-7, gebunden, 415 Seiten, Euro 22,00
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