Dass du nicht mehr lebst. Kriminalroman.
Tatjana Ustinowa, Rowohlt 2004




Sibirischer Winter und ein vertuschter Mord

"Es heißt außerdem … es heißt, Sie wechseln jeden Tag Ihre Pelzmäntel. Stimmt das?" Inna lächelte. "O ja", gab sie mit der Schärfe eines Bumerangs zurück, "natürlich stimmt das, Garik!" Sie beugte sich über den blau glänzenden Tisch und fügte fast flüsternd hinzu - dabei war es natürlich sowohl in den Kopfhörern der gesamten Aufnahmecrew als auch auf der anderen Seite des Bildschirms, wo sich das so genannte "Publikum" befand, wunderbar zu hören: "Garik", flüsterte sie, "Ihnen will ich es gestehen. Ich wechsele jeden Tag die Pelzmäntel, die Brillanten und die Männer! Aber sagen Sie es nicht weiter!"

Inna ist Leiterin der Informationsabteilung in der sibirischen Provinzhauptstadt Bjelojarsk. Sie hat eine glänzende Karriere in den russischen Medien hinter sich. Sie spannt in einer Datscha aus, trifft dort einen Mann, mit dem sie einen One Night Stand hat und am Morgen klingelt das Handy. Der Gouverneur hat Selbstmord begangen.

Sie hat weder zu dem Gouverneur noch dessen Familie engere Kontakte. Umso verblüffender, dass ihr dessen Witwe am Grab zuflüstert, sie müsse sie am Abend treffen. Doch am Abend trifft Inna nur eine Leiche. Die Witwe wurde erschossen. Die Provinzverwaltung stellt es als Herzinfarkt dar. Und Inna befindet sich binnen kurzem in einem Gewirr von Intrigen und Machtkämpfen. Obendrein taucht auch noch ihr One-Night Stand auf und entpuppt sich als ein Oligarch, der nun auf den Gouverneursposten spekuliert.

Inna will eigentlich nur ihren Posten behalten und eine Wahnsinnskarriere machen. "Ihr Ex-Mann sollte davon erfahren, ihm sollte klar werden, was er dadurch verloren hatte, dass er sie, Inna, gegen eine andere eingetauscht hatte! Er sollte sich in die Faust beißen, den Kopf gegen die Wand schlagen, zum Mond jaulen vor Reue.".

Doch das ist längst nicht so einfach, wie sie dachte. Warum schanzt ihr der Vizegouverneur unsinnige, dafür aber kompromittierende Aufträge zu? Und was ist mit den Zeitungen, die ihr der tote Gouverneur übergeben wollte?

Tatjana Ustinowa hat eine furiose Geschichte geschrieben, mit einem außergewöhnlichen Plot, einer lebendigen Heldin und einem tiefen Blick in die russische Politik und Medienlandschaft. Eines der Bücher, das man nicht aus der Hand legen kann und gleichzeitig eine anschauliche Schilderung von Leben und Politik im postsowjetischen System. Und selbst das Umfeld wird von der Autorin so überzeugend dargestellt, dass ich den eiskalten Wind vom Jenissei heulen hörte und mir fast die Nase abfror.

Dass die Schlussszene etwas an den Haaren herbeigezerrt ist und nicht das Niveau des restlichen Textes halten kann, ändert nichts daran, dass es ein rundum gelungener Roman ist, spannend, lehrreich und nicht nur für Krimi-Fans erste Wahl.

Bleibt zu hoffen, dass bald auch weitere Romane der Autorin übersetzt werden.

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Über die Autorin: Tatjana Ustinowa ist Jahrgang 1968, studierte Aerodynamik und arbeitete beim Fernsehen, bevor sie zu schreiben begann. Inzwischen hat Tatjana Ustinowa in Russland 14 Kriminalromane veröffentlicht - mit Millionenauflagen.

Dass du nicht mehr lebst, Tatjana Ustinowa, Rowohlt, November 2004
Originaltitel: Perwoje prawilo korolewy, übersetzt von Judith Elze
ISBN 3-499-23794-6, 347 Seiten, Tb, € 8,90

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