Gottes kleiner Krieger. Roman.
Kiran Nagarkar, A1 Verlag, August 2006
"'Du wirst dich nicht daran erinnern, Zia', hatte Zubeida Khala ihm schon oft gesagt, aber wir hätten dich zweimal fast verloren. Zum ersten Mal bei deiner Geburt und dann, kurz danach, an den Teufel in Gestalt einer Frau, die versuchte, deine Seele dem Islam zu entreißen. Doch ich blieb eisern, und Allah, der Barmherzige, der Erbarmer, errettete dich.'
Kann der Teufel eine Frau sein?', fragte Zia.
Er kann alles sein: eine Schlange, eine Sünde, eine Versuchung.'"Zia wächst mit seinem Bruder Amanat in einer reichen muslimischen Familie in Mumbay (Indien) auf. Seine Tante Zubeida ist strenggläubige Muslimin, seine Eltern sind es nicht. Doch Zia glaubt an Allah und daran, dass er sein kleiner Krieger sei, ausgewählt, für den Glauben zu kämpfen. Und das tut er, in Cambridge, wo er studiert und gleichzeitig Salman Rushdie verfolgt, in Afghanistan und Kaschmir, wo er sich den Mudschaheddin anschließt.
Zia ist ein Mathematikgenie, er kann im Kopf die kompliziertesten Gleichungen lösen. Er hasst nicht die Ungläubigen, für ihn ist der heilige Krieg die richtige Lösung einer Gleichung. Daran ändert sich nichts, als er zum Katholizismus konvertiert und in ein kalifornisches Trappistenkloster hoch in der Sierra Nevada eintritt. Er bleibt auch Gottes kleiner Krieger auch, als er in den USA sich den Lebensschützern und evangelikalen Neokonservativen anschließt und schließlich, auch das zum Ruhme Gottes, in den internationalen Waffenhandel einsteigt.Kiran Nagarkar hat das Psychogramm eines Mannes gezeichnet, für den jede Gleichung nur eine Lösung hat, aber auch das Psychogramm der Länder, in denen Zia lebt und sein Zahlengenie spielen lässt, zum höheren Lob Allahs und Gottes. Vor allem das erste Drittel, das in Indien spielt, lässt dem Leser das Leben wohlhabender indischer Familien und ihr Umfeld lebendig werden.
Auch in England, in dem kalifornischen Kloster verfolgen wir den Helden und dessen Besessenheit. Sein Fanatismus ist manchmal schwer zu verstehen, speist er sich doch nicht aus Hass, sondern aus kühlem mathematischen Kalkül. Doch der Autor stellt uns Personen und Umfeld gekonnt vor, weiß es im Leser Bilder zu wecken, kann erzählen. So ist die Stärke des Buches auch nicht die Schilderung des religiösen Fanatismus, sondern der Welt, in der dieser gedeiht.
Leider gelingt das nur in den ersten drei Viertel des Romans. Spätestens, wenn Zia den Lebensschützern folgt, seine neokonservativen Kampagnen plant, verliert das Buch seine Faszination, wird zum Kolportageroman und zwar zu einem ziemlich langweiligen. Das rettet auch der Schluss nicht mehr, der eine gute Idee mangels glaubwürdiger Personen in eine ziemlich unglaubwürdige Schmonzette verwandelt.
Fazit: Spannender Roman, der in den ersten drei Vierteln durch lebendige Erzählung religiöser Erfahrungen und ihrer Verwandlung in Dogmatismus besticht, im letzten Viertel aber zu einer langweiligen Kolportage verkommt.
Über den Autor: Kiran Nagarkar wurde 1942 in Bombay geboren, studierte in Bombay, arbeitete als Lehrer und Herausgeber und schrieb Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Er schreibt in Marathi und Englisch Für den Roman "Krishnas Schatten" erhielt er den Sahitya Award, die höchste Anerkennung der indischen Literaturakademie. Er lebt in Bombay.
Gottes kleiner Krieger, Kiran Nagarkar, Roman, A1 Verlag, August 2006
Originaltitel: God's Little Soldier, aus dem Englischen von von Giovanni und Ditte Bandini
ISBN 10: 3-927743-88-7, gebunden, 694 Seiten, Euro 28,90
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