Arthur Koestler. Biografie.
Christian Buckard, C.H.Beck 2004




Extremes Leben ohne Extreme

Arthur Koestler war vielleicht nicht einer der besten, aber ganz sicher einer der umstrittensten Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Abrechnung mit dem Kommunismus "Darkness at noon" (Sonnenfinsternis) wurde ebenso ein Bestseller wie "Thieves in the night", der Roman über Kibbuzim und Zionismus.

Als Korrespondent berichtete er aus dem spanischen Bürgerkrieg, wagte sich hinter die Fronten in Francos Spanien, geriet in Malaga in Gefangenschaft und verbrachte drei Monate in einer Todeszelle, jeden Tag auf seine Erschießung wartend. Er war niemand, der sich nur am Schreibtisch einmischte, er wollte dabei sein.

Als Sohn eines Ungarn mit russischen Vorfahren und einer Prager Jüdin lernte er früh antisemitische Vorurteile kennen. Die führten ihn in die zionistische schlagende Verbindung Unitas und später in Jabotinskys revolutionäre Liga der Zionisten, die ganz Palästina - inklusive des heutigen Jordaniens - als Judenstaat einforderte. So wird nicht nur der Weg des kämpferischen Koestlers nachgezeichnet, sondern auch die Beweggründe und Argumentationen des Zionismus, der sich aus dem Antisemitismus Europas entwickelte. Manches davon ist harter Tobak, etwas wenn Koestler von den Arabern verlangt, sie müssten sich assimilieren oder gehen oder wenn er später den bewaffneten Kampf von "Lechi" und "Irgun" publizistisch unterstützt, die auch vor Mord und Terroranschlägen nicht zurückschreckten. Deren prominentestes Opfer wurde der UNO Beauftragte Graf Bernadotte.

Buckhard erzählt dies sachlich, enthält sich der Bewertung, kann aber die Beweggründe von Koestler und den Zionisten durchaus glaubwürdig darstellen. Das ist die Stärke des Buches.

Doch Koestler war mehr als ein Zionist. Er war ein Gejagter und ein Mann voller Widersprüche, hasste Frauen und hatte doch unzählige Affairen, warb für den Staat Israel, aber lebte immer nur kurz dort. Intellektuell und von kleiner Statur stürzte er sich immer wieder in Streitereien, manchmal verbal, oft aber auch sehr handgreiflich. Obwohl Zionist, trat er der kommunistischen Partei bei. Anders als manch seiner Zeitgenossen sah er aber bald die Fratze von Hunger und Terror, die sich hinter der schönen Maske der klassenlosen Gesellschaft verbarg.

Von all dem findet sich wenig bis nichts in der Biografie. Dass die KPF Koestler als "Psychopathen" beschimpft, findet sich im Buch kurz erwähnt, aber der Leser hätte doch gerne die Vorgeschichte dazu erfahren. Ebenso findet sich ein Foto Koestlers, der die Eröffnungsrede auf dem "Congress for Cultural Freedom" hält. Was er dort gesagt, getan hat, muss sich der Leser denken. In der Biografie steht es jedenfalls nicht.

Selbst die Frage, wieweit Koestlers Depressionen - er nahm später offenbar regelmäßig Antidepressiva - mit zu seinem sprunghaften Leben und seinen oft auch für Freunde schwer zu verstehenden Kreuzzügen und Polemiken beitrugen, bleibt im Buch ausgespart.

So entstand eine solide Biografie über den Zionisten Koestler, eine anspruchsvolle Lektüre, die zu lesen der Mühe wert ist, aber nichts, was den Untertitel "Ein extremes Leben" rechtfertigt. Denn nur den zionistischen Lebensfaden fand Christian Buckhad der Schilderung wert. Insofern ist Titel und Umschlagstext eigentlich eine Irreführung des Lesers und mehr als ärgerlich.


PS: Die Kurzfassung dieser Rezension gewann den 4.Preis auf dem Rezensionswettbewerb des Kulturhauses Dussmann und der Zeitschrift Aviva (http://www.kulturkaufhaus.de/20257.htm).

Leseprobe

Über den Autor: Christian Buckard wurde 1962 geboren, studierte Judaistik und Niederländische Philologie in Berlin, Jerusalem und Amsterdam und promovierte. Heute lebt er als freier Autor in Berlin.

Arthur Koestler, Christian Buckard, Biografie, C.H.Beck, 2004
ISBN 3-3-406-52177-0, gebunden, 416 Seiten, Euro 24,90

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