Mein Iran. Autobiografie.
Shirin Ebadi, Pendo/Blanvalet, Oktober 2007
"Wir lasen gemeinsam weiter, lasen, wie der Mann, der mein Mörder werden wollte, zum Informationsminister ging und um Erlaubnis bat, mich ermorden zu dürfen. Nicht im Fastenmonat Ramadan, hatte der Minister geantwortet, aber jederzeit danach. Aber sie fastet doch sowieso nicht, hatte der Söldner argumentiert, diese Leute haben sich von Gott abgewandt. Dieses Argument - dass die Intellektuellen, dass ich mich von Gott abgewandt hätte -, diente ihnen dazu, die Morde als ihre religiöse Pflicht zu rechtfertigen."
Sie war die erste Richterin im Iran, doch nach Khomeinis Machtergreifung, nach dem Sieg der islamischen Republik, durfte sie nur noch als Sekretärin arbeiten. Shirin Ebadis Autobiografie gibt ein lebendiges Bild vom Iran, dem Gottesstaat, den Theokraten, die glauben, weil sie den "richtigen" Glauben haben, dürften sie alles, einschließlich Morden. Aber es zeigt auch wie widersprüchlich dieser Iran ist. Über die Hälfte der Studenten an den Universitäten sind Frauen, sie dürfen zwar keine leitenden Posten einnehmen, stellen aber 43% der Gehaltsempfänger.
Shirin Ebadi gab sich nicht damit zufrieden, den Mund zu halten und als Sekretärin zu arbeiten. Sie setzte sich für die Rechte der Kinder ein, die durch die brutalen Familiengesetze leiden mussten, denn selbst wenn der Vater ein brutaler Schläger ist: das Sorgerecht für die Kinder steht nur ihm zu. Ebadi griff den Fall eines Mädchens auf, das so von seinem Vater zu Tode geprügelt wurde, das einer Familie, die ruiniert wurde, weil sie Geld für die Hinrichtung der Vergewaltiger ihrer Tochter zahlen sollten. Sie wurde erst im Iran, dann auch weltweit zur Legende und 2003 erhielt sie den Friedensnobelpreis.
Den Hardlinern im Iran war sie ein Dorn im Auge, aus Protokollen und zahlreichen Drohungen zeigte sich, dass sie umgebracht werden sollte, nur ihre steigende Popularität verhinderte dies. Was ihr aber den besonderen Zorn der Mullahs zuzog, war ihr Wissen auch über den Koran und dass sie sich als gläubige Mohammedanerin verstand. Das brachte ihr auch im Westen neben viel Ruhm auch Hass ein. Schließlich gibt es mittlerweile auch hier genug Hardliner und Islamkritiker, für die jeder Mohammedaner, der nicht Bin Ladems Religionsverständnis folgt, ein Lügner, Heuchler und Verfassungsfeind ist.
Ebadis Buch liest sich wie ein Krimi, ein Thriller, nur dass die Morde nicht erfunden sind, die Spannung real und die Personen nicht fiktiv sind.
Manchmal kommt man nicht umhin, Parallelen zu ziehen. Wollten nicht die Nazis ebenfalls die Frauen ans Haus binden? Hatten sie nicht ebenso die Vorstellung, sie dürften ihre Familienpolitik notfalls eben auch mit Morden durchsetzen und waren sie nicht ebenso durch und durch korrupt wie die Mullahs? Unter diesem Aspekt bekommt Eva Hermans Lob der NS-Familienpolitik eine ganz neue Aktualität.
Und der Leser begreift so manches über den Iran. Wie der Hass auf Amerika entstand, als die USA den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Mossadegh absetzen, wie er sich fortsetzte, als Reagan Saddam Hussein und seinen Angriffskrieg mit Waffen und Technologie unterstützte und wie Hardliner dies alles ausnutzen, um ihr Terrorregime zu rechtfertigen und zu stabilisieren. Wer Shirin Ebadis Buch gelesen hat, ahnt, dass der amtierende Präsident den Streit mit dem Westen und den USA noch nötiger braucht als die Atombombe und schon deshalb nicht nachgibt.
Ein Buch, das uns viel über das Land, seine jüngste Geschichte und den Geist der fundamentalistischen Hardliner verrät. Aber auch über den anderen Iran und vor allem all die Frauen, die alle Zufahrtswege zum Flughafen verstopften, weil sie Ebadi nach dem Empfang des Nobelpreises zu Hause begrüßen wollten.
Mein Iran, Shirin Ebadi, Pendo/Blanvalet, Oktober 2007
Originaltitel: Iran awakening, aus dem Amerikanischen von Ursula Presch
ISBN 978-3442367146, gebunden, 295 Seiten, Euro 19,90
ISBN 978-3442367146, TB, 320 Seiten, Euro 8,95
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