Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers. Jugendbuch.
Sheerman Alexie, dtv, Oktober 2009
» Ich kam mit Wasser im Gehirn auf die Welt. Na gut, so hundertpro stimmt das nicht. Ich wurde mit zu viel Cerebrospinal-Flüssigkeit im Kopf geboren. Aber Cerebrospinal-Flüssigkeit ist nichts anderes als das, was oberschlaue Ärzte zu Gehirnschmiere sagen. Und Gehirnschmiere macht in den Hirnlappen dasselbe wie Motoröl in einem Motor. Sie sorgt dafür, dass alles schön rund läuft. Bloß ich Hirni muss natürlich mit zu viel Öl in der Birne auf die Welt kommen, sodass alles ganz dick und schlammig und eklig wurde und irgendwann gar nichts mehr richtig funktionierte. Mein Denk-, Atem- und Lebensmotor wurde immer langsamer und soff schließlich ab.
Mein Gehirn ist im eigenen Öl ersoffen.«Arnold Spirit heißt er, aber alle rufen ihn Junior, den 14jährigen Spokane-Indianer. Und er will auf eine weiße Highschool gehen. Gar nicht so einfach, die eigenen Stammesangehörigen schimpfen ihn „Apfel“ – außen rot und innen weiß. Die Highschool des Reservats hat ihn rausgeschmissen. In Reardan, der weißen Highschool lachen sie über seinen Namen „Junior“. Und die Regeln sind ganz andere als im Reservat. Die ungeschriebenen, versteht sich. Die, die jeder kennt, der dazu gehört, die aber nirgends aufgeschrieben sind. Die man also auch nicht nachschlagen kann.
Aber Junior gibt nicht auf. Er weiß: „Es nervgt echt, arm zu sein, und es nervt ab, dass man immer das Gefühl hat, man hätte es irgendwie verdient. Mit der Zeit fängt man an zu glauben, dass man arm ist, weil man dumm und hässlich ist.“ Und diesem Selbstverständnis will er entkommen. Er will sich nicht aufgeben, wie sein Freund Rowdy oder seine Schwester Mary runs away.
Dabei ist das gar nicht so einfach. Denn er lebt weiter im Reservat und dort ist die Situation nicht rosig. Sein Vater trinkt wie die meisten Väter, seine Großmutter wird von einem Betrunkenen überfahren.
In der neuen Highschool tut er sich hart. Es ist hart, aber oft ganz anders, als er denkt. Nicht jeder, der ihn veräppelt, will ihm böses. Alexie ist Meister der Überraschung und der genauen Beobachtung. Und so gelingt ihm eine packende Geschichte zwischen Kulturen und Vorurteilen. Mit viel Witz und Tragik. Manchmal ist es zum Lachen traurig, manchmal zum Weinen schön. Und Junior, sein Held mit furchtbarem Brillengestell und zu großem Kopf zeigt uns die Welt der Weißen und der Indios, macht Mut, nicht alles als gegeben hinzunehmen und wenn es auch noch so traurig ist, so hilft ihm doch sein Witz weiter.
Eine Geschichte über das Erwachsenwerden zwischen den Kulturen und dass die Unterschiede so groß auch wieder nicht sind. „Ich würde immer ein Spokane-Indianer bleiben. Diesem Stamm gehörte ich nun mal an. Aber ich gehörte genauso dem Stamm der amerikanischen Einwanderer an. Und dem Stamm der Basketballspieler. Und dem Stamm der Leseratten“, sagt er.
Schon mit „Indian Killer“ und „Reservation Blues“ hat er es geschafft, den Alltag der amerikanischen Indianer deutlich zu machen, das Elend, die Trunksucht, ohne je larmoyant zu werden, mit Witz und Tragik gleichermaßen. Mit diesem Tagebuch ist ihm das auch im Jugendbuch gelungen.
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