Die Hüter der Rose. Historischer Roman.
Rebecca Gablé, Ehrenwirth, September 2005


Dreissig Jahre Krieg

"'Was für ein gottloses Wetter, um einen König zu krönen.'
Es donnerte, und das Prasseln wurde lauter. John erhob sich aus dem Stroh, trat an die geschlossene untere Hälfte der Stalltür und spähte in die Dunkelheit hinaus.
'Jetzt hagelt es auch noch', berichtete er über die Schulter. ‚Die Bauern werden nicht glücklich sein …'
Er kehrte dem Unwetter den Rücken und kniete sich wieder ins Stroh, nahm den Kopf der schwitzenden Stute auf den Schoß und strich ihr über die Stirnlocke. ‚Schsch. Hab keine Angst, Circe.'
Sie schnaubte, und ein Beben durchlief ihren großen Leib. Wie die meisten Pferde fürchtete sie sich vor Blitz und Donner, doch war es heute nicht das Wetter, das ihr zu schaffen machte. Circe fohlte. Und wie jedes Jahr war es auch dieses Mal langwierig und beschwerlich. Der Stallmeister hatte ihn bei Einbruch der Dämmerung hergeschickt, um bei ihr zu wachen, und John kam es vor, als müsse es bald auf Mitternacht gehen. Er war müde. Seine Augen brannten, und er musste immerzu gähnen. Aber so wie es im Moment aussah, würde er vor dem Morgen nicht ins Bett kommen ...
Wieder zuckte draußen ein Blitz, und in der plötzlichen Helligkeit erahnte John eine Gestalt an der Tür."

Wir schreiben das Jahr 1413 und König Harry von England will Frankreich endgültig für England erobern. Harry entspricht dem herrschenden Ritterideal, er kann Menschen für sich begeistern und hat keine Mühe, Männer für seinen Krieg zu gewinnen.

Einer dieser Männer ist noch ein Junge; der dreizehnjährige John of Waringham läuft von zu Hause fort, wird erst Knappe und dann vor der Schlacht von Agincourt zum Ritter geschlagen. Im Krieg findet er Freunde wie den Waliser Owen und den jungen John Beaufort, den alle Somerset nennen.

John entführt später die Liebe seines Leben, die blutjunge Julianne, die einen Widerling heiraten sollte, fällt deshalb in Ungnade, wird dann doch wieder am Hofe aufgenommen und steigt zum Befehlshaber der königlichen Leibwache auf. Doch wenn das Buch auch große Liebegeschichten schildert - erfundene wie historische belegte - es ist kein Liebesroman. Dazu ist der Krieg immer und überall zu präsent.

König Harry mag ein vorbildlicher Ritter sein, doch ritterlich ist dieser Krieg nicht. Die Engländer feiern ihren König, der den Franzosen in Agincourt eine vernichtende Niederlage beschert. Die Franzosen sind begreiflicherweise weniger begeistert, vor allem, weil der König in der Schlacht sämtliche gefangenen französischen Ritter abschlachten lässt. Für die damalige Zeit ein abscheuliches Kriegsverbrechen. Es bleibt nicht dabei.

John wird gefangen, fällt in die Hände eines der Ritter, dessen Verwandte abgeschlachtet worden waren und dieser verhält sich ebenso wenig ritterlich, sondern foltert ihn. Erst durch den Einsatz seines Gönners, Kardinal Beauforts, kommt John frei.

Der Krieg zieht sich hin und Ruhr und schlechte Verpflegung dezimieren erst das Heer und zum Schluss stirbt auch der König daran.

Rebecca Gable lässt diesen Krieg lebendig werden lassen, die Begeisterung, als Harry loszieht und die Realität im Feld, die oft sowenig mit den ritterlichen Idealen zu tun hat. Der Krieg steckt in all den Männern, die Jahre, oft Jahrzehnte im Feld verbringen - insgesamt schildert das Buch dreißig Kriegsjahre - und dieser Krieg verändert sie. Selbst John wird verschlossen, zynisch und jagt seiner großen Liebe Juliane irgendwann Angst ein. Wie dieser Krieg die Männer verändert, sie zu Bersekern werden lässt, das gehört für mich zu den eindrücklichsten Passagen des Buches.

Dass historische Romane erfundene Personen und deren Geschichte nutzen, um eine Epoche darzustellen, ist nicht neu. Aber wenige schaffen es so gut, so spannend wie Rebecca Gablé. Wieder tritt die Familie Waringham auf, wieder der hunderjährige Krieg, nur diesmal fünfzig Jahre später. Und wieder verknüpft die Autorin private Schicksale mit dem historischen Hintergrund, taucht den Leser in eine längst vergangene Zeit ein, lässt ihn um Personen zittern, die längst tot sind und gibt ihm gleichzeitig eine Geschichtsstunde, die spannender nicht sein könnte,.

Fazit: Nicht nur für Freunde historischer Romane ein unbedingtes Muss!

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Über die Autorin: Rebecca Gablé wurde 1964 in einer niederrheinischen Kleinstadt geboren und machte nach dem Abitur erst eine Banklehre, bevor sie 1990 ein Literaturstudium begann. Geschichten hatte sie sich schon als Kind ausgedacht, aber es dauerte bis 1995, bis ihr erstes Buch "Jagdfieber" erschien, das auch für den Glauser-Krimipreis nominiert wurde. Mit dem historischen Roman "Das Lächeln der Fortuna" gelang ihr endgültig der Durchbruch.
Sie ist Mitglied in der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur "Syndikat" und dem Autorenkreis historischer Roman Quo Vadis.
Seit 1996 ist sie freiberufliche Schriftstellerin und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Mönchengladbach.

Die Hüter der Rose, Rebecca Gablé, historischer Roman, Ehrenwirth, September 2005
ISBN 3-431-03635-X, gebunden, 1115 Seiten, Euro 24,90

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