Houwelandt. Roman.
John von Dueffel, dtv, Juni 2006


Familienbande

" Die Insel vor ihm hatte die Farbe des Sandsteins, den man hier brach. Das Land in seinem Rücken entließ seine Hügel ins Licht. Es war eine buckelnde Herde, die vor der aufsteigenden Sonne davonkroch, spärliche Haine, gewundene Terrassen, Gärten aus Geröll. Auf den Spuren der Dämmerung wanderten Schatten wie dunkle Wolken über das Land. Doch der Morgen im Sommer war kurz, und sobald die Sonne steil stand, würde sich nichts mehr rühren. Jorge de Houwelandt watete bis zu den Hüften in den Uferwellen und rieb sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Das Meer schmeckte nach Schlaf. Ohne die Augen zu öffnen, legte er das Kinn auf die Brust, streckte die Arme aus und tauchte ein. "

Jorge wird achtzig, er will keine Geburtstagsfeier, doch seine Frau Esther richtet trotzdem eine aus. Sie will die zerstrittene Familie wieder an einem Tisch zusammenführen und dabei hilft ihr ihre Ex-Schwiegertochter Beate.
Jorge gehört zur Vorkriegsgeneration, hart gegen seine Kinder, hart gegen sich selbst. "Ein Sadist", meint sein Sohn Thomas, der weich und unentschlossen ist. Und der Enkel Christian hat den Großvater fast nie erlebt, Thomas hielt seinen Sohn sorgfältig von Jorge fern. Während der Geburtstagsvorbereitungen werden sie alle mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Daneben die Frauen, Sarah, die sich an Jorge anpasst, Beate, mit dem Hausmann Thomas verheiratet, Ricarda, die in ihrem Anwaltsberuf aufgeht.
John von Düffel hat in "Wasser" einen großen Familienroman geschrieben, in dem ebenfalls das Wasser eine zentrale Rolle spielte, in dem die Mitglieder eines Familienclans porträtiert werden. "Vom Wasser" habe ich verschlungen, einige Szenen sind mir für immer ins Gedächtnis eingebrannt. "Houwelandt" las sich dagegen mühsam. Es ist nicht schlecht, hat aber keineswegs die Qualitäten "Vom Wasser", wirkt, als habe der Autor sich hier selbst kopiert.
Denn während die Personen in "Wasser" lebendig sind, Charaktere, in Liebe oder Hass - vielleicht auch in Gleichgültigkeit - gezeugt, sind die Figuren in Houwelandt am Reißbrett entstanden. Sie sind Typen, keine Individuen. Jorge, der harte, wortkarge Vorkriegsveteran, Thomas, der weiche, unentschlossene 68er, Christian, der Karrierist aus den Achtzigern, all das klingt nicht nur nach Klischee, sondern ist es. Über diese typischen Eigenschaften hinaus kann keine der Figuren ein eigenes Leben gewinnen und so ist auch das, was von Düffel über sie erzählt, oft steif und behauptet. Denn anders als in "Wasser", erleben wir es nicht, sondern müssen es dem Autor glauben. Das ist schade und hat mich mehrfach beinahe dazu gebracht, das Buch beiseite zu legen. Und auch der Stil, der in "Wasser" begeisterte, wirkt hier oft manieriert, als wolle der Autor dem Buch damit ein Leben einhauchen, dass die Geschichte selbst ihm nicht verleihen kann.
Deshalb würde ich "Vom Wasser" jedem Leser empfehlen, "Houwelandt" aber nur eingefleischten Fans des Autors oder von Familienromanen.

Fazit: Ein neuer Familienroman von Düffels, nicht schlecht, aber längst nicht auf dem Niveau des Erstlings "Vom Wasser"

Leseprobe

Über den Autor: John von Düffel wurde 1966 in Göttingen geboren, lebte mit seinen Eltern länger in Derry (Nordirland) und Southdakota, danach in Oldenburg. Er studierte Philosophie, Germanistik und Volkswirtschaft in Stirling (Schottland) und Freiburg. 1989 promovierte der 23-jährige über Erkenntnistheorie und war danach als Theater- und Filmkritiker, als Schauspieldramaturg und Übersetzer tätig. 1998 schrieb er seinen Debütroman "Vom Wasser", eine große Hommage an das fließende Element, und wurde dafür u.a. mit dem aspekte-Literaturpreis des ZDF ausgezeichnet.
2004 drehte Jörg Adolph die TV-Dokumentationv Kanalschwimmer über die Entstehung des Romans Houwelandt, die den Deutschen Fernsehpreis erhielt.

Houwelandt, John von Dueffel, Roman, dtv, Juni 2006
ISBN 3423134658, TB, Seiten, Euro 9,50

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