Hiob. Roman.
Joseph Roth, dtv 2003
Roman eines gewöhnlichen Juden
"Vor vielen Jahren lebte in Zuchnow ein Mann namens Mendel Singer. Er war fromm, gottesfürchtig und gewöhnlich, ein ganz alltäglicher Jude. Er übte den schlichten Beruf eines Lehrers aus. In seinem Haus, das nur aus einer geräumigen Küche bestand, vermittelte er Kindern die Kenntnis der Bibel. Er lehrte mit ehrlichem Eifer und ohne aufsehenerregende Erfolge."
Das ist die Geschichte eines Mannes, der Gott fürchtet und von ihm geprüft wird, wie Hiob im alten Testament. Mendel ist keiner, der stolz ist auf seine Individualität. Im Gegenteil, er will nur ein ganz gewöhnlicher Jude sein unter anderen Juden.
Anfänglich gelingt ihm das auch, er heiratet, er unterrichtet, er hat Kinder, tut, was sein Vater tat, denkt, was dieser schon dachte. Doch dann bricht das Unheil über sein Haus herein. Sein jüngster Sohn lernt nie sprechen, seine Tochter macht mit Kosaken herum, sein erster Sohn meldet sich freiwillig zur Armee und mit dem zweiten wandert er nach Amerika aus. Beide fallen im ersten Weltkrieg und Mendel hadert mit Gott. Er, der gottesfürchtige Jude, fängt an, zu schmähen, was er früher verehrte. Doch eines Tages steht der Jüngste wieder vor der Tür, der Jüngste, der nie sprechen konnte, jetzt aber ...
Roth erzählt uns die Geschichte mit biblischer Wucht; schafft es mit seiner Sprache, uns in die längst vergangene Welt des Stetls zu versetzen, taucht den Leser ein in eine Welt, die so ganz anders ist als alles, was er kennt. "Hiob" ist nicht nur ein einmaliges Zeitzeugnis, es ist auch ein wundervolles Beispiel gelungener Literatur, die auch heute noch, nach fünfundsiebzig Jahren, den Leser zu fesseln weiß.
Fazit: Archaische Erzählung aus Osteuropa, das die Zeit vor dem ersten Weltkrieg lebendig werden lässt.
Über den Autor: Joseph Roth wurde 1894 als Sohn jüdischer Eltern in Brody in Galizien, im damaligen Österreich-Ungarn geboren. Er studierte Philosophie und deutsche Literatur in Lemberg (heute Lwiw) und Wien, arbeitete als Journalist und floh 1933 vor den Nazis erst nach Wien, dann nach Paris, wo er 1939 verarmt an einer Lungenentzündung und delirium tremens starb.
Anfänglich schrieb er auch für kommunistische Blätter ("der rote Joseph"), später trat immer mehr der Zusammenbruch der Donaumonarchie als Thema in den Vordergrund, zum Beispiel in seinem berühmtesten Buch "Radetzkymarsch".Hiob, Joseph Roth, Roman, dtv
ISBN 3423130202, Taschenbuch, 187 Seiten, Euro 7,50
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