Pannonias Gral. Krimi mit CD.
Katrin Kremmler, Ariadne 2004




Ungarn Krimi

"Du sprichst inzwischen doch recht gut Ungarisch, sagt er, und sie ist eine etwas eigenwillige Persönlichkeit, ich schätze, mit einer netten jungen Frau tut sie sich leichter. Und sieht mich mit diesem gewissen Gesichtsausdruck an, als hätte er nach zwei Wochen zum ersten Mal wieder in seinen Kühlschrank geschaut. Im Hochsommer. Nach zwei Wochen Stromausfall."

Naomi ist Ungarin. Aber als sie fünf war, ist ihre Mutter mit ihr nach Amerika geflohen, zu ihrem reichen Onkel, der eine Galerie betreibt. Den hat Naomi mittlerweile längst aus den Augen verloren, als er plötzlich wieder auftaucht, um ihr einen merkwürdigen Job anzubieten. Sie soll in Budapest eine abgetauchte Künstlerin aufspüren, mit der ihr Onkel angeblich eine Ausstellung in New York machen will. Der Auftrag kommt ihr seltsam vor, aber sie braucht das Geld und die Aussicht, den Ort ihrer Kindheit wiederzusehen, reizt sie. Also nimmt sie an.

Doch in Budapest angekommen, sieht sie sich nicht nur von den Schatten ihrer eigenen Vergangenheit verfolgt, sondern auch von Jägern, die sie verfolgen, ohne dass sie weiß warum. Bald wird die freundliche Donaumetropole für sie zum Alptraum ...

Eigentlich bietet das Buch alles, was einen spannenden Krimi ausmacht. Ein alter Schatz, der wieder auftaucht und verschwindet; ein scheinbar banaler Auftrag, hinter dem weit mehr steckt, als es scheint; ein Familiengeheimnis, mittlerweile achtzehn Jahre alt, das unter den Teppich gekehrt wurde und jetzt wieder zum Vorschein kommt; eine Heldin, die in die Stadt ihrer Kindheit zurückkehrt und mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird und mit Budapest und deren Lesbenszene ein ungewöhnliches Setting.

Und dennoch gelingt es der Autorin nicht, aus ihrem spannenden Stoff und durchdachten Plot eine gute Geschichte zu weben. Das liegt vor allem an dem letzten Drittel des Romans, in dem plötzlich eine ganze Reihe zusätzlicher Personen die Perspektive erhalten (u. a. eine Mitarbeiterin eines Ministeriums, ein Kommisar) die ebenso lustlos wie unglaubwürdig möglichst schnell ihre Geschichte erzählen, damit der Leser erfährt, was er erfahren soll. Keine dieser Perspektiven ist glaubhaft erzählt, beim Lesen hatte ich den Eindruck, der Autorin ist der entweder die Lust an ihrer Geschichte oder der Draht zu ihren Personen verloren gegangen und so wirkt das Ende, so gut es konzipiert ist, doch sehr lieblos hingeschrieben und ich als Leser bin froh, wenn es endlich vorbei ist. Und so nett die Idee ist, dem Buch eine CD mit Fotos aus Budapest beizulegen, auch das kann den Text nicht retten.

Schade. Da hat Katrin Kremmler sich selbst die Chance verschrieben, einen großartigen Roman vorzulegen.

Über die Autorin: Die Cartoonistin, Filmemacherin und Provo-Poetin Katrin Kremmler hat ihren charmanten dritten Krimi mit einer CD-ROM kombiniert, auf der Naomis Spurensuche zur interaktiven Gralsjagd wird: ein Fest für alle Computer-Userinnen und Genießerinnen kurzweiliger Lektüre.

Pannonias Gral, Katrin Kremmler, Ariadne, 2004
ISBN 3-88619-883-9, TB, 160 Seiten mit Mini-CD, Euro 12,90

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