Mach mal Feuer, Kleine. Roman.
Martin Smaus, dtv 2011

Mach mal Feuer, Kleine

»Andrejkos Mutter, die schöne Mária, war dem Dezider Dunka aus der Zigeunersiedlung bei Vyšná Poljana versprochen. Beim mangavipen band der alte Laco Dunka ihre Hände mit einem Tuch zusammen und goss ihnen Schnaps in die hohle Hand, auf dass der eine von dem anderen trinke und ihm so die Treue verspreche, doch in der Nacht zeigte sich, dass Mária bereits empfangen hatte und ein neues Leben in sich trug.
Dezider war ein rechtschaffener Mann und wollte die Familie nicht Spott und Schande aussetzen. Also beschloss er, erst seine Frau und dann sich selbst umzubringen. Er stand auf und ging in die Schenke von Poljana, um sich zu stärken, aber dort wollte man  ihm nichts geben, erst wenn er seine Schulden beglichen habe, er stehe schon zu tief in der Kreide. Da vergaß Dezider den Schmerz, der ihn in die Schenke getrieben hatte, und sein feuriges Blut wallte auf.«

Dezider zettelt eine Schlägerei an, wird fast totgeschlagen, und überlebt deshalb den geplanten Selbstmord. So kommt Andrejko zur Welt.

Martin Smaus schildert das Leben in den Bergen der Ostslowakei, Ruthenen, Roma, Slowaken, die Juden sind bereits vergast worden und viele der Zigeuner haben ebenfalls nur durch Glück die Nazis überlebt. In dieses Völkergemisch bricht erst der Kommunismus ein, dann die Moderne und für Pferdezüchter, Hufschmiede und Kesselflicker ist kein Platz mehr. Damit haben sich die Zigeuner früher über Wasser gehalten. Jetzt wandern sie aus in die tschechischen Städte, nach Prag, Pilsen und in die Bergwerksstädte. Wer nicht freiwillig geht, wird von den Kommunisten zwangsumgesiedelt. Richtige Wohnungen, fließendes Wasser und Arbeit versprechen sie den Zigeunern. Die Kinder kommen in Internate, damit sie etwas gescheites lernen. Doch die angeordnete Integration scheitert. Die Roma bleiben am Rand der Gesellschaft, betteln, stehlen und bald sind auch die Kommunisten voller Vorurteile

Martin Smaus hat ein Panorama der gegenseitigen Vorurteile zwischen Roma und ihrer Umgebung geschaffen, gleichzeitig ein Panorama der untergehenden Tschechoslowakei. Und der ganz eigenen Region in den Grenzgebieten von Slowakei, Polen und Ukraine. Er idealisiert die Roma nicht, viele von ihnen wollen sich nicht in das moderne Leben mit Achtstundentag, Müllabfuhr und Schule einordnen. Aber er schildert auch die andere Seite, wie unmöglich es ist, sich in die tschechische Gesellschaft einzugliedern. Wer das will steht, zwischen den Stühlen. Die eigenen Leute akzeptieren ihn nicht und die anderen sehen immer den Roma in ihm.

Spannend geschrieben, stilistisch gekonnt gewann der Autor mit diesem Erstling den Magnesia Litera, dem bedeutendsten tschechischen Literaturpreis. Und er hat ihn verdient, kein Zweifel. Und wer nach einem ungewöhnlichen Buch sucht, wird hier fündig.

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