Döner, Machos und Migranten. Sachbuch.
Betül Durmaz, Herder, Oktober 2009


Döner, Machos und Migranten

»Wieso scheitern gerade so viele Migrantenkinder in deutschen Schulen? Funktioniert Schule mit ihren Integrationsbemühungen nicht oder gibt es ganz andere Komponenten, die das Scheitern bedingen? Liegen sie womöglich in der Lebensführung und –vorstellungen der Migrantenkinder und ihrer Erziehungsberechtigten?
Die immer wieder ins Feld geführte Pisa-Studie gibt da keine Antworten, sondern liefert nur beängstigende Zahlen. Hinter diesen Zahlen jedoch verbergen sich anonyme Schicksale. Einige von ihnen sollen in diesem Buch Gestalt gewinnen.«

Betül Durmaz ist Lehrerin an einer Förderschule für lernschwache Schüler. Dort landen die, die auch die Hauptschule aussortiert hat. Meist haben sie nicht nur Probleme mit dem Lernen, sondern überhaupt mit sozialem Verhalten. Früher hieß das "Sonderschule", noch früher "Hilfsschule".

Durmaz stellt in diesem Buch einige Schülerschicksale vor. Da ist Baker, der sich eigentlich anfänglich anstrengt, durchaus auch positive Eigenschaften hat, gerne Aufräumungsarbeiten oder Botengänge übernimmt, aber auch immer wieder massiv den Unterricht stört und immer gewalttätiger wird. Zu Hause hat er einen schlägernden Vater und eine streng islamische Mutter. Er hasst seinen Vater und doch wird er ihm immer ähnlicher.

Sein Fall ist kein Einzelfall. Was bei deutschen Eltern aus dem Umfeld die Drogen sind bei kurdischen und türkischen Familien oft ein radikaler Islam. Und Durmaz bestätigt, was wir eigentlich alle längst wissen: Wenn die Eltern an den schulischen Leistungen interessiert sind, ihre Kinder lieben, haben die Kinder eine Chance. Selbst wenn die Eltern inhaltlich ihren Kindern nicht helfen können. Die wenigen "erfolgreichen" Fälle der Autorin stammen aus solchen Familien. Die anderen haben Eltern, die auf Strenge setzen und Schläge als einzige Erziehungsmaßnahme kennen.

Und viele, viel zu viele Familien wollen sich nicht helfen lassen. Die Verlierer sind immer die Kindern. Hinzu kommt, dass die Förderschule natürlich einen schlechten Ruf hat. Gilt schon der Hauptschulabschluss als wertlos, was kann dann der Abschluss einer Förderschule bedeuten, egal wie positiv das Zeugnis ausfällt?

Das ist das größte Probleme, beschreibt Betül Durmaz. All die einfachen Jobs in der Produktion, für die in den Sechziger Jahren die Gastarbeiter angeworben wurden, gibt es längst nicht mehr. Damit entfällt oft auch der Ansporn, sich anzustrengen. Wozu, wenn man nach der Schule doch als Hartz IV Empfänger endet? Mittlerweile gibt es in den Problemvierteln bereits eine Tradition, die Eltern sind Hartz IV, die Kinder erwarten das Gleiche und diese Tradition fördert das Lernen in keinster Weise. Es gibt Stadtteile, in denen sind die Schulkinder die Einzigen, die regelmäßig morgens aufstehen. Und zwar unabhängig davon, ob es Türken, Kuren oder Deutsche sind. Die Schichtzugehörigkeit bestimmt hier den Alltag. Den Sohn eines türkischen Rechtsanwalts oder eines libanesischen Arztes findet man an der Förderschule nicht.

Gerade deshalb wäre es schon eine große Hilfe, wenn die Schulen wenigstens bessere Mittel in Hand bekämen, die Schulpflicht durchzusetzen. Kriminelle Karrieren beginnen mit Schulschwänzen, das ist hinreichend dokumentiert.

Der erste Teil des Buches wirkt gegen diese traurige Bilanz fast idyllisch. Die Autorin beschreibt, wie ihre Eltern nach Deutschland kamen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben und auch, um sich aus der sozialen Kontrolle in ihrer Heimat zu lösen. Wie ihre Eltern sich krumm legten, um Geld zu verdienen, Arbeits- und Wohnbedingungen in Kauf nahmen, die heute keiner mehr akzeptieren würde, egal ob deutsch oder türkisch. Und dass ihr Vater die oft mythische Verehrung Deutschlands und insbesondere des deutschen Staates teilt, die so typisch für viele Türken der ersten Generation war und ist.

Das Buch will keine allgemeinen Antworten liefern. Dafür gibt es aber eine gute Schilderung des Ist-Zustandes.

Interview mit der Autorin

 

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