Eis essen mit Che. Autobiografie.
Said Sayrafiezadeh, Aufbau 2010

Eis essen mit Che

Saids Vater hat früh die Familie verlassen. Zwar tönt er immer wieder groß, wie sehr er seinen Sohn liebe, doch sieht er ihn höchst selten. Immer kommen Termine dazwischen - er ist führendes Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei der USA, einer trotzkistischen Splitterpartei. Der Vater ist Iraner, die Mutter Jüdin und sie kann den Mann nicht vergessen. So ist der Vater nicht nur für den Sohn ein fernes Idol, sondern auch für die Mutter, die nie etwas mit einem anderen Mann anfängt, die treu in der Partei bleibt, in die sie durch Saids Vater gekommen ist.

Das Leben ist hart für den jungen Said, denn die Mutter lebt ein asketisches Leben, nicht nur, was Männer angeht. Da der Kapitalismus nur falsch ist, das wahre Glück erst im Sozialismus beginnen kann, gilt es, sich manches zu versagen. Skateboards zum Beispiel oder Weintrauben, beide sind gleichermaßen tabu. Und Said wird so zum Außenseiter. Dass er einen iranischen Namen trägt, dass er seltsame Ansichten hat, ist schon schlimm genug. Als dann die amerikanische Botschaft in Teheran besetzt wird, erlebt der junge Said den Hass hautnah. Dabei kann er nicht mal iranisch, weiß gar nichts über die Heimat seines Vaters.

Ein trauriges, ein witziges Buch über einen Jungen, der sich nach seinem Vater sehnt, der Wichtigeres zu tun hat, als sich um das Kind zu kümmern.

Über die kleine trotzkistische Partei erfährt man außer einigen Parolen sehr wenig. Das liegt einerseits daran, dass das Kind wenig von der Politik versteht, aber auch daran, dass die Mutter sich abschottet. Eigentlich haben solche Splittergruppen einen festen inneren Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern, die sich gegen die böse Welt zusammentun. Doch die Mutter pflegt offenbar keinerlei privaten Kontakt zu den Parteimitgliedern. Weder Freundin, schon gar nicht ein Freund taucht jemals im Buch auf. Die Partei bleibt eine Chimäre, so wie der ferne Vater. Der kandidiert nach dem Sturz des Schahs für das Amt des Präsidenten. Die trotzkistische Tochterorganisation im Iran hat sich mittlerweile in drei Parteien gespalten, die Parteizeitung wird bald verboten, der Vater landet im Knast. Khomeini und der Schah haben beide wenig für Linke im Allgemeinen und Trotzkisten im Besonderen übrig.

Später kehrt der Vater wieder in die USA zurück - in das gehasste Land des Kapitalismus, das das einzige ist, das ihm Heimat und Schutz bietet. Schon der Großonkel, nach dem Said benannt wurde, scheiterte im Iran, in der ersten demokratischen Revolution 1907 verlor er sein Leben. Der Vater erlebte als Junge, wie die Panzer des Schahs den gewählten Ministerpräsidenten und die Demokratie stürzten.

Das Buch ist gut geschrieben, fesselt, aber es hat eben auch Lücken. Dass die Mutter nicht nur jeder Männer-Bekanntschaft, sondern auch jeder Freundschaft innerhalb der Splittergruppe aus dem Weg geht, wird nie thematisiert, die Gruppe selbst bleibt blaß wie der ferne Vater, mehr als ein paar Parolen erfahren wir nicht. Trotzdem ein interessantes Buch, weil es leicht und doch ernst die tragikomische Geschichte einer Familie erzählt, die auf Träume mehr gibt als auf Realitäten.

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