Bartimäus, Das Auge des Golems. Fantasy.
Jonathan Stroud, cbj Juni 2005


Der Dschinn kommt zurück

"Klar habe ich damit gerechnet, dass mich eines Tages wieder irgendein Schwachkopf mit spitzem Hut beschwört, aber doch nicht derselbe wie beim letzten Mal!"

Bartimäus, der Dschinn der vierzehnten Klasse, der die Mauern von Uruk, Karnak und Prag aufgebaut hat, mit König Salomon per du war, wird wieder beschworen. Und er kann es kaum fassen: Wieder von dem selben Nathanael wie beim letzten Mal!

Der ist mittlerweile fast drei Jahre älter, hat im Sicherheitsministerium Karriere gemacht und große Probleme. Er soll die Anschläge der sogenannten Widerstandsbewegung aufklären und die Gruppe zerschlagen. Doch trotz aller Bemühungen kommt er mit dieser Aufgabe nicht weiter. Sein Aufstieg hat ihm genügend Feinde gemacht und die wollen jetzt seinen Kopf rollen sehen.

Was tun? In seiner Not beschwört er wieder Bartimäus, den Dschinn, der schon im ersten Band die Leser so erfolgreich mit seinem Sarkasmus und seinen Fußnoten unterhalten hat. Der soll die Widerständler dingfest machen. Doch zunächst entdeckt er einen Golem, der in London sein Unwesen treibt. Leider glaubt ihm niemand. Denn Golems, die gab es vor Jahrhunderten in Prag, aber heutzutage? Undenkbar, sagt der Ministerrat und vermutet, Nathanael und Bartimäus hätten das erfunden, um von ihrem Misserfolg abzulenken.

Diesmal ist das Buch düsterer geworden, mit Kitty, einer aus der Widerstandsgruppe, werfen wir einen Blick in das Leben der Gewöhnlichen. Nathanael erleben wir, wie er Karriere macht - und sich immer mehr in Machtgier und Intrigen verstrickt. Keine angenehme Erfahrung für den Leser, der sich gerne mit seinen Helden identifiziert und doch eine sehr lehrreiche. Stroud beweist uns, dass ein Fantasyroman realistischer und lehrreicher sein kann, als manche Autobiografie.

Das Auge des Golems beginnt nicht so furios wie der erste Band, am Anfang vermutete ich, dass Stroud sein Niveau nicht wird halten können. Doch diese Furcht war unbegründet. Denn bald gewinnt die Geschichte Fahrt, sie ist nicht mehr so leichtfüßig, hat dafür aber sehr viel mehr Tiefe gewonnen. Auch die Welt, in der es sich bewegt, wird plastischer. Eine Welt, deren Geschichte der unseren sehr ähnelt. Es gab Pyramiden und das antike Rom, ein britisches Weltreich, das von Gladstone gegründet wurde - nur das Gladstone ein Zauberer war und mit Magie das Parlament entmachtete. Und auch diesmal vermeidet Stroud es, uns mit den üblichen Klischees der Fantasy zu langweilen oder seine Personen schematisch in Gut und Böse einzuteilen.

Fazit: Bartimäus II ist wie der erste Band ein rundum empfehlenswertes Lesevergnügen mit Tiefgang und Originalität.

Rezension des ersten Bandes
Leseprobe

Über den Autor: Jonathan Stroud stammt aus Bedford und schreibt Geschichten, seit er sieben Jahre alt ist. Er war Lektor, hat zwei Jugendbücher verfasst und lebt jetzt als freier Autor mit Frau und Tochter in St. Albans.

Bartimäus, Das Auge des Golems, Jonathan Stroud, Fantasy, Juni 2005, cbj
Originaltitel The Bartimaeus Triology - The Golem's Eye, aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung
ISBN 3-570-12776-1, gebunden, 670 Seiten, Euro 19,90

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