Bartimäus. Fantasy-Jugendroman.
Jonathan Stroud, C.Bertelsmann Jugend Verlag 2004




Das Amulett von Samarkand

"Der Junge sagte etwas. Ziemlich piepsig.
"Ich befehle dir... mir... mir..." Nun mach schon! "...d-d-deinen N-Namen zu nennen."
So fangen sie immer an, die Jungen. Sinnloses Gestammel. Er wusste genauso gut wie ich, dass er meinen Namen schon kannte - wie hätte er mich sonst beschwören können? Dazu bedarf es der richtigen Worte, der richtigen Gesten und vor allem des richtigen Namens. Ich meine, es ist ja nicht so, als bestellte man ein Taxi - bei einer Beschwörung kommt nicht einfach irgendwer! [...]
Als er seine Spucke runtergewürgt hatte, stotterte er weiter: "I-Ich befehle dir nochmals zu antworten. Bist du jener B-Bartimäus, der in alten Zeiten von den Magiern beschworen wurde, die Mauern von Prag wieder aufzurichten?"
Was für ein elender Umstandskrämer. Welcher Bartimäus sollte ich wohl sonst sein?"

5000 Jahre ist Bartimäus alt, ein Dschinn der vierzehnten Klasse, er hat die Mauern von Uruk, Karnak und Prag aufgebaut, war mit König Salomon per du und jetzt wird er von einem zwölfjährigen Bürschchen beschworen. So ein Mist! Obendrein macht dieser Zauberlehrling bei der Beschwörung keinerlei Fehler und so ist Bartimäus ihm ausgeliefert.

Das Amulett von Samarkand soll er für den Jungen stehlen. Ein sehr mächtiges Zauberartefakt, dass den Besitzer vor magischen Angriffen aller Art schützt. Im Besitz von Simon Lovelace, einem der besten Zauberer Englands. Obendrein ist der - wie alle Zauberer - auf Macht versessen und hat sein Haus mit den modernsten magischen Einbruchsicherungen geschützt. Kein Wunder, dass diese Aufgabe alles andere als leicht ist.

Wieder ein Zauberlehrling, wieder in London. Aber da hört schon jede Ähnlichkeit mit Harry Potter, seinen Vorgängern und auch seinen Epigonen auf.

Bartimäus ist ein wunderbar sarkastischer Ich-Erzähler, er durchschaut die Menschen und lässt kein gutes Haar an ihnen. "Einmal verlangte ein Zauberer von mir, ihm seine große Liebe zu zeigen. Ich hielt ihm einen Spiegel vor." Und er belehrt seine Leser in zahlreichen herrlich bösartigen Fußnoten über Vergangenes und Gegenwärtiges aus dem Blickwinkel eines Dschinns. Allein diese Fußnoten wären es wert, das Buch zu kaufen. Endlich mal wieder ein lebendiger Protagonist neben all den Heroengestalten, die vor Edelmut platzen.

Nathanael ist gleichzeitig ein ungemein begabter Lehrling wie auch ein ängstlicher und verschlossener Junge. Er liefert die zweite Perspektive im Buch, das zwischen Ich-Erzählung (Bartimäus) und dritten Person (Nathanael) wechselt. Erstaunlich, wie er in der Geschichte seinen Mut entwickelt, sich gegen Simon Lovelace und seinen Meister zu behaupten versteht und wie Bartimäus und Nathanael im Laufe der Geschichte zu einem Team werden. Leicht ist das wahrlich nicht. Und so bietet die Geschichte nicht nur Witz, sondern auch Spannung pur.

"Bartimäus" ist eine erfrischende Abwechslung in einem eher drögen Buchmarkt, zeigt, dass man auch aus alten Stoffen noch völlig neue Geschichten machen kann und ragt aus Tolkien-Nachahmungen und Harry-Potter-Klons heraus wie ein fünf Sterne-Restaurant zwischen Döner-Buden und McDonalds-Filialen. Endlich mal wieder ein Autor, der ein wirklich originelles Garn zu spinnen weiß.

Für jugendliche wie erwachsene Fantasy-Fans ein Muss, aber auch für jeden, der neue Geschichte liebt. Ein Kultbuch. Bitte mehr davon!

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Über den Autor: Jonathan Stroud stammt aus Bedford und schreibt Geschichten, seit er sieben Jahre alt ist. Er war Lektor, hat zwei Jugendbücher verfasst und lebt jetzt als freier Autor mit Frau und Tochter in St. Albans.

Bartimäus, Jonathan Stroud, Fantasy-Roman, C.Bertelsmann Jugend Verlag, 2004
aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung
ISBN 3-570-12775-3, gebunden, 541 Seiten, Euro 18,90

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