Mit offenen Augen. Roman.
Joyce Carol Oates, Hanser, Februar 2005
Die Geschichte von Freaky Green Eyes
"Später kam es mir immer vor wie ein Überwechseln. Vielleicht war das, was meine Mutter machte, dasselbe. Überwechseln. Von einem bekannten Umfeld in ein unbekanntes. Von einem Ort, an dem die Menschen dich kennen, an einen anderen, wo die Menschen nur glauben, dass sie dich kennen.
So als würde man durch einen wirklichen Fluss schwimmen, einen unberechenbaren, tückischen Fluss, und wenn du es ans andere Ufer schaffst, bist du nicht mehr der Mensch, als der du losgeschwommen bist."Franky ist die Tochter des berühmten Sportreporters und ehemaligen Footballstars Reid Pierson. Sie vergöttert ihn und führt das behütete, angepasste Leben einer Tochter aus gutem Hause.
Auf einer Party, auf der sie allein und verlassen herumsteht, spricht sie ein Junge an und tanzt mit ihr. Franky ist glücklich, sie fühlt sich akzeptiert, ihr kommt es vor, als sei sie allein dadurch gutaussehend und sexy geworden. Doch dann will der Junge Sex von ihr. Dazu ist sie nicht bereit und als der Junge sie bedrängt, kommt plötzlich ein ganz anderer Zug des Mädchens zum Vorschein. "Freaky green eyes" nennt der Junge sie voller Wut, doch sie ist stolz auf diesen Namen.
Die Mutter hat sich immer mehr zur Künstlerin entwickelt, besucht Kunstmärkte, kapselt sich immer mehr von der Familie ab. Der Vater und die Kinder sind wütend darüber. Auch Franky sucht die Schuld bei der Mutter.
Dann wird diese eines Tages vermisst. Sie sei mit einem anderen Mann untergetaucht, behauptet der Vater und Franky glaubt das. Bis sie ein Tagebuch findet ...
Ein psychologischer Roman über Schein und Wirklichkeit und darüber, wie wichtig das eigene Urteil ist. Der Vater, der alle in seinen Bann schlägt, eine Fassade aufbaut, auf die alle hereinfallen. Und würde sich Franky nicht manchmal in Freaky Green Eyes verwandeln, hätte auch sie ihm alles geglaubt. Gerade für Jugendliche ein wichtiges Thema: Was lasse ich zu, was tue ich, um "dazugehören" und wo ist Misstrauen angesagt, auch wenn man dadurch jemand vor den Kopf stößt. Die Handlung erinnert oft an den Fall des ehemaligen Footballspielers O.W. Simpson.
Allerdings hat das Buch auch einen Haken. Am Anfang fällt die Autorin manchmal aus der Erzählung der jungen Franky heraus, da hört der Leser die Stimme der Autorin, die ihm quasi die Hintergründe erklärt. Das bremst die Spannung und wird leicht als erläuternder Zeigefinger verstanden. Hier besteht die Gefahr, dass mancher jugendliche Leser das Buch zuklappt. Und das wäre schade.
Fazit: Spannendes lesenswertes Buch mit kleinen Mängeln.
Über die Autorin: Joyce Carol Oates wurde 1938 in Lockport, New York und wuchs dort auf dem Lande auf. Mit vierzehn erhielt sie ihre erste Schreibmaschine und beginnt damit Romane zu schreiben. Seitdem hat sie zahlreiche Romane, Theaterstücke und Lyrik geschrieben. Unter den Pseudonymen Rosamond Smith und Lauren Kelly erschienen auch etliche Krimis. Sie gilt als eine der profiliertesten amerikanischen Autoren. "Mit offenen Augen" ist ihr zweites Jugendbuch. Für das Buch wurde sie mit "Fällt aus dem Rahmen" der Zeitschrift Eselsohr geehrt,
Sie studierte Englisch an der Universität von Wisconsin und lehrte 1965-1978 lehrt sie an der Universität von Windsor in Kanada. Zu dieser Zeit avanciert sie zu den am meisten respektierten und berühmtesten Schriftstellern in den USA.
Seit 1978 lehrt sie creative writing an der Universität von Princeton.Mit offenen Augen, Joyce Carol Oates, Roman, Februar 2005, Hanser
Originaltitel: Freaky Green Eyes, aus dem Amerikanischen von Birgitt Kollmann
ISBN 3-446-20605-1, gebunden, 233 Seiten, Euro 15,90
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