Der letzte seiner Art.
Thriller.
Andreas Eschbach, Lübbe, Mai 2005


Der 6 Millionen Mann am Ende

"Am Samstagmorgen erwachte ich blind und halbseitig gelähmt. Ich bin schon oft blind gewesen und auch schon oft halbseitig gelähmt, aber in letzter Zeit bin ich öfter beides gleichzeitig, und das fängt allmählich an, mir Sorgen zu machen.
Ich lag auf der rechten Seite, das Gesicht halb im Kissen vergraben. Alles, was ich bewegen konnte, waren mein Kopf, der linke Arm und ein paar Muskeln, die mir in dem Moment allesamt nichts nützten. Ziemlich ärgerlich. Ich war versucht, einfach noch eine Weile zu dösen und zu hoffen, dass es sich von selber geben würde. Aber das würde es nicht, das wusste ich. Außerdem drückte meine Blase."

Dingle ist eine kleine Hafenstadt in Irland, mit einigem Fremdenverkehr, über dreißig Pubs und vielen Schafen. Außerdem lebt dort seit zehn Jahren Duane Fitzgerald. Der ist zwar Amerikaner, aber kein Tourist, sondern ein Flüchtling. Eigentlich ist gar kein Mensch mehr, sondern ein Cyborg. Er hat Knochen aus Titan, in den Muskeln mechanische Kraftverstärker, ein Turboherz und eine Atombatterie. Er ist Supermann und der sechs Millionen Dollar Mann in einer Person. Seine Implantate sind keine 6 Millionen Dollar wert, sondern mindestens das hundertfache. Er ist das Produkt eines geheimen Marine-Versuchs, der Soldaten für Spezialaufträge schaffen sollte.

Aber niemand will ihn mehr haben. Denn so richtig funktioniert haben weder er noch seine vier Kollegen. Das Turboherz setzt schnell aus und auch die anderen Implantate leisten nur bedingt, was sie leisten sollten. Eigentlich ist er ein Fehlschlag. Und deshalb wurde er und seine Kollegen von der Marine ausrangiert, das Projekt abgeblasen und die einzige Sorge der Militärs ist es, dass ja niemand von dem Projekt erfährt.

Doch wer sollte das schon. Dingle liegt schließlich am Ende der Welt und Duane möchte nur seine Ruhe haben.

Aber eines Tages taucht ein Mann auf, mit einem alten Foto von Duane und fragt alle: "Kennen Sie diesen Mann?" Mit der Ruhe in dem Ort ist es vorbei, ein Mord geschieht und im Städtchen tauchen unzählige merkwürdig unauffällig-auffällige Personen auf.

Das Buch ist ein Thriller, kein Zweifel. Aber einer, der dort anfängt, wo andere aufhören. Normale Thrillerhelden sind - wie Duane - übermenschlich stark. Sie siegen immer, spätestens in der letzten Szene, sie haben keine Vergangenheit, denn die interessiert niemand und auch keine Zukunft, es sei denn im nächsten Band der Serie. Vor allem haben sie keine Zweifel. Und ihre Wunderwaffen funktionieren. In diesem Buch tun sie das nicht, jedenfalls nicht mehr. Und Duane, der einst ein Held war, wie andere Thrillerhelden auch, lernt die unangenehmen Seiten des Heldentums kennen. Die Unsicherheit, was wird mit mir, dass er auf spezielle Nahrungskonzentrate angewiesen ist, dass alles, was einen normalen Mann ausmacht, für ihn nicht mehr gilt. Mit Frauen ist nicht und selbst ein Bier akzeptiert dieser Superbody nicht mehr. Duanes Schicksal ist alles andere als erfreulich

Er entdeckt zufällig ein Buch von Seneca, einem alten Philosophen und dieser Philosoph beschäftigt sich mit Schicksal und wie Menschen es meistern. Seneca fasziniert Duane und Eschbach versteht es, dem Leser zu verdeutlichen, warum diese Philosophie für Duane so wichtig wird.

Wer die üblichen Thriller- und Actionszenen erwartet, den wird dieses Buch enttäuschen. Zunächst. Trotzdem sollte man sich darauf einlassen. Auch wenn er irritiert, dieser Thriller der anderen Art, aber er beleuchtet Ecken und Winkel, die andere Thrillerautoren tunlichst im Dunkeln lassen. Weil sie sie fürchten? Weil ihre Leser sie fürchten?

Weil sie keine Spannung bieten, ist die gängige Ausrede, aber Eschbach zeigt, dass das nicht stimmt. Jedenfalls nicht, wenn man sich darauf einlässt, auch die dunklen Ecken einmal ausgeleuchtet zu erleben. Ein Grauen der ganz anderen Art stellt sich ein und die Erkenntnis, wie viel ein antiker Philosoph einem modernen Helden sagen kann.

Fazit: Ein Thriller mit Hintergrund und ein konsequentes Buch darüber, wie man sein Leben meistern kann, auch wenn man Superman ist. Oder war.

Leseprobe
Homepage des Autors
Interview mit Andreas Eschbach (Ich war in Gefahr, völlig zu versuhrkampen)

Über den Autor: Andreas Eschbach wurde 1959 in Ulm geboren, studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete viele Jahre als Softwareentwickler. Gleichzeitig schrieb er nebenher, unter anderem an dem Roman "Haarteppichknüpfer" und war Stipendiat der Arno Schmidt Stiftung für schriftstellerisch hochbegabten Nachwuchs. Mehrfach gewann er Literaturpreise, u.a. den Kurt Lasswitz Preis und den Literaturpreis des deutschen Science Fiction Clubs. 1998 erzielte er mit "Das Jesus Video" endgültig den Durchbruch. Der Roman wurde auch verfilmt. Seitdem hat er zahlreiche weitere Bücher geschrieben.
In der "Bundesakademie für kulturelle Bildung" (www.bundesakademie.de) hält er Seminare zum Romanschreiben ab und auf seiner Homepage finden sich zahlreiche Tipps zum Schreiben.
Seit 2003 lebt er mit seiner Familie in der Bretagne.

Der letzte seiner Art, Andreas Eschbach, Thriller, Mai 2005, Lübbe
ISBN 3-304-15305-7, Taschenbuch, 350 Seiten, Euro 8,95

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