Alte Liebe. Roman.
Kati Naumann, Edition Büchergilde 2004




Ruhiges Kammerspiel über das Verschwinden einer Liebe

"Und dann, ich fühlte mich schon völlig sicher, fragte Frank nach dem Schlüssel. Ich starrte ihn an. Frank verdrehte die Augen.
"Das ist wieder mal typisch für dich, dass du dir eine Kiste ohne Schlüssel andrehen lässt."
Er deutete meinen entsetzten Blick falsch und streichelte mir übers Haar.
"Keine Angst, ich krieg sie dir natürlich auf."
Daran zweifelte ich keinen Moment und bemühte mich um ein Lächeln.
Wenigstens einmal nach vierzehn Jahren, in denen ich freiwillig über jede Minute Rechenschaft abgelegt hatte, in denen ich beim Schminken und beim Ausziehen beobachtet wurde und keinen Film mehr ohne Franks Zwischenbemerkungen gesehen hatte, ein einziges Mal nur wollte ich ein Geheimnis haben, nur für mich allein. Ein kleines, harmloses Vergnügen."

Valentina hat einen netten Mann, ein nettes Haus und liebt ihren netten Garten. Außerdem geht sie gerne auf Flohmärkte und Wohnungsauflösungen. Und dort entdeckt sie eine Kiste. Die Kiste ist abgeschlossen, der Schlüssel fehlt, aber irgendetwas ist drin. Kurz entschlossen kauft sie sie. Und ist gespannt, was sie entdecken wird.

Als sie ihre Schatztruhe endlich öffnet, kommt nichts besonders Aufregendes zum Vorschein. Nur alte Briefe. Von einem Mann, der das Ende des Krieges als Soldat erlebt und nach Hause, an seine Geliebte schreibt. Die Briefe sind voller Wärme und Herzlichkeit. Plötzlich will Valentina diesen Mann kennenlernen. Noch ahnt sie nicht, was sie damit in Gang setzt. Denn dieser ganz unspektakuläre Mann, der mittlerweile im Altenheim lebt, wird für sie zum Katalysator. Plötzlich betrachtet sie ihren eigenen Mann mit anderen, mit kritischen Augen.

Eigentlich nichts Neues. Frauen, die plötzlich entdecken, das ihre Ehe leer geworden ist, der Traumprinz sich in einen Frosch verwandelt hat, das haben wir schon tausendmal gelesen. Hera Lind, Gaby Hauptmann und eine ganze Riege von weiblichen Autorinnen versorgen unsere Republik mit Träumen vom Ausbrechen, vom besseren Leben, von der Begegnung mit dem Traumprinzen, von starken Frauen und schwachen Kerlen.

Doch dieses Buch ist anders. Der neue Mann ist kein Fünf-Sterne-Kerl, sondern ein alter Mann und ob Valentina ihn liebt, als Mann begehrt, erfahren wir in dem Buch nicht. Auch Frank ist nicht der "übliche Verdächtige", nur ein wenig zu pedantisch, ein wenig zu langweilig, ein wenig zu gedankenlos. Kati Naumann schildert das unaufgeregt, wir lesen nicht das große Drama, dafür aber ein wunderbares Kammerspiel über zwei Menschen, die sich auseinanderleben. Und über einen Dritten, der als junger Mann rührende Liebesbriefe schrieb und jetzt ein alter Mann ist. Verbittert ist er trotzdem nicht. Ein spießiges Dorf im Osten und die DDR-Vergangenheit liefern die Kulisse dazu. Auch das keinesfalls aufregend.

Was die Autorin da aus einem scheinbar ausgelutschtem Thema herausholt, ist einfach meisterhaft. So ruhig, so "normal" kommt die Geschichte daher und vermag dennoch zu fesseln, weit mehr als manches Buch, das daraus das große Drama mit Theaterdonner, Superweibern und Vier-Sterne-Kerlen machen würde.

Eine bewegende Geschichte ist Kati Naumann da gelungen und der Beweis, dass man nicht immer in die große Trickkiste greifen muss, um Leser zu fesseln und zu rühren. Manchmal kann das ein kleines, unscheinbares Kammerspiel weit besser. Hinzu kommt, dass die Autorin wirklich ihre Sprache beherrscht und beweist, wie spannend ein guter Stil sein kann, wenn er sich der Geschichte unterordnet und nicht "l'art pour l'art" ist.

Unbedingt empfehlenswert!

Leseprobe
Homepage der Autorin

Über die Autorin: Kati Naumann wurde 1963 in Leipzig geboren, studierte Pädagogik und Museologie und arbeitete im Buchmuseum der Deutschen Bücherei und im Musikinstrumenten - Museum in Leipzig. Sie schrieb ein Musical ("Elixier") und mehrere Drehbücher, u.a. für die ZDF Kindersendung "1,2 oder 3". 2001 wurde ihr erster Roman "Was denkst du?" veröffentlicht. Seit 1994 ist sie freischaffende Autorin

Alte Liebe, Kati Naumann, Edition Büchergilde, September 2004
ISBN 3936428387, gebunden, 176 Seiten, Euro 16,50

Das Buch bei Amazon

Weitere Rezensionen von Hans Peter Röntgen

zurück

Für alle Rezensionen gilt: © by Hans Peter Röntgen - WebSite - Kontakt
Alle Rechte vorbehalten - All rights reserved