Sommerhit. Roman.
Tom Liehr, Rütten & Loehning, Juli 2011

Sommerhit

“Es tut mir leid“, sagte Frau Perpel, wobei ihr Blick, nein, ihr gesamter Kopf mehrfach von mir zu Mama und wieder zurück huschte. Ihr Schädel ruckte wie eine Taube, die vom Picken aufsieht und nach Feinden Ausschau hält. Seltsamerweise schienen sich ihre Haare leicht verzögert zu bewegen. Die Stirn von Frau Perpel rutschte quasi unter den Haaren weg, und mit geringer Verzögerung zog die graubraune, extrem gleichmäßige Perücke nach. Dass es sich tatsächlich um eine Perücke handelte, erfuhr ich später.
Frau Perpel, Rektorin des Walter-Gropius-Gymnasiums in Berlin-Schöneberg, mochte fünfundfünfzig oder auch sechzig Jahre alt gewesen sein, jedenfalls ziemlich alt aus meiner Sicht. Sie trug einen Anzug mit Weste, braun, mit feinen, orangefarbenen Längsstreifen [...] Etwas an ihr erinnerte mich an Karl Eduard von Schnitzler, den Mann, der die Sendung „Der schwarze Kanal“ im Fernsehen der DDR moderierte.«

Falk Lutter ist zu dick, als dass seine Klassenkamerade ihn cool finden könnten. Außerdem kommt er aus der falschen Gegend, er ist ein Ostler, einer der mit seiner Mutter rübergemacht hat. Der Vater und die Schwester blieben 1980 zurück in Honeckers Paradies der Werktätigen und von ihnen fehlt jede Spur.

Dann fährt die Klasse ins Elsaß auf Klassenfahrt. Und das coole Trio Thomas, Gerry und Henning will das nutzen, denn die beiden Lehrer, die sie begleiten, sind Nieten, die ihnen keinerlei Widerstand entgegensetzen werden.

Das gilt auch für den Rest der Klasse, inklusive dem Club der Verlierer, der sowieso nichts zu sagen hat und nicht cool ist. So nimmt das Unheil seinen Lauf ...

Und dann gibt es Martin Gold, der ist berühmt und macht Musik. Sein erfolgreichstes Stück nennt sich "Cool sein", denn mit dem Cool sein hat es für Martin so seine eigene Bewandnis. Weil er damals ...

Aber das müssen Sie selbst lesen, sollten Sie selbst lesen. Tom Liehr erweist sich wieder als begnadeter Erzähler, der seinen Bogen von den Achtzigern bis heute spannt, das Musik-Business beschreibt, die Zeitläufte und eine Menge Typen auftreten lässt, die nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen. Mit ganz eigener Stimme werden hier dramatische Ereignisse witzig erzählt, ohne in Klamauk abzurutschen. Mit Nick Hornby hat man ihn verglichen und das zu Recht.

"Sommerhit" hat viel von „Radio Nights“, ist aber doch sehr viel anders, sehr viel reifer. Vielleicht sein bestes Buch.

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