Fräulein Schröder. Roman (Wahlkampfsatire)
Susanne Fengler, Aufbau, Juli 2005
Es geht um Deutschland
"So", begann Thomas Knauer, nachdem sie bestellt hatten. "Und jetzt müssen Sie mir helfen. Ich bin nämlich auf der Suche nach Meinungen." Er faltete die Süddeutsche auseinander. "Was halten Sie von IHM?" Er zeigte auf den Ministerpräsidenten des südlichsten Bundeslandes. Es war offensichtlich, daß man eine Meinung zu ihm haben mußte. Miriam hatte keine.[...]
Sie hatte keine Meinung yu dem Ministerpräsidenten, aber über Sosibios von Alexandria, den Feind der Berenike, konnte sie eine klare Aussage treffen.
"Er ist ein Intrigant. Er will sie stürzen", entgegnete sie.
Knauer stutzte. Nach einer Pause erkundigte er sich: "Wie kommen Sie darauf?"
"Das ist seit langem bekannt."Miriam interessiert Politik eigentlich nur, wenn sie mindestens zweitausend Jahre alt ist. Unter der Dusche rezitiert sie altgriechische Verse. Beim Friseur trifft sie einen Mann, der sie fragt, was sie von IHM halte. Mit IHM ist der Kandidat aus dem Süden gemeint, der 2002 IHR die Kandidatur streitig macht. Kein Zweifel wer gemeint ist: Stoiber und Merkel. Zu beiden hat Miriam keine Meinung. Wohl aber zuKalimachos. Der war der Hofpoet einer ptolomäischen Königin. Heute würde man sagen: Er war ihr PR Manager. Und über ihn hat Miriam Schröder ihre Dokterarbeit geschrieben. Leider wurde diese abgelehnt, weil einer der Gutachter ihrem Doktorvater nicht grün war.
Miriam hat keine Ahnung, was sie von diesem Kampf um die Kanzlerkandidatur halten soll, also antwortet sie mit Kalimachos: "Er ist ein Intrigant." Kalimachos bezog das zwar auf Sosibios, den Konkurrenten der Königin Berenike, aber es trifft auch die aktuelle Lage am Hofe der Angela Merkel.
Bald findet sich Miriam in der Parteizentrale wieder. Denn ihre treffenden Kommentare zu dem aktuellen Geschehen, ihre prägnanten Artikel wecken Begeisterung. Dass diese von einem altgriechischen Dichter stammen, weiß keiner. Passen tun sie dennoch - oder grade deswegen.
So entwickelt die Autorin uns das Hofleben in Berlin, wie die Kontrahenten ihre Spielchen treiben und die eigenen Ambitionen mit Deutschland verwechseln.
Ein amüsantes Buch, das ich in einem Rutsch durchgelesen habe. Ein Insiderbuch, kein Zweifel, dass Fengler weiß, wovon sie spricht. Aber niemand soll erwarten, hier Verschwörungen und Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Denn wir sehen nur Menschen, die sind wie wir selber, die Intrigen könnten in jedem Großbüro spielen.
Fräulein Schröder, Susanne Fengler, Aufbau, Juli 2005
3746622182, Taschenbuch, Euro 8,95
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