Die Zelle – rechter Terror in Deutschland. Sachbuch.
Christian Fuchs, John Goetz, Rowohlt, 2012
Anfang der Neunziger Jahre brennen Häuser, vor allem auf dem Boden der ehemaligen DDR, aber auch in Westdeutschland. Häuser, in den Ausländer oder Asylbewerber wohnen, sind die Ziele, es kommt zu zahlreichen Morden. Viele Jugendliche in der ehemaligen DDR wenden sich rechtsradikalen Gruppen zu. Darunter drei, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Bald gehen die Drei dazu über, Bomben zu bauen. Zunächst sind es Attrapen, die sie in Jena auslegen und an Zeitungen verschicken. 19998 hebt die Polizei ihre Bombenwerkstatt aus, doch die drei können fliehen und tauchen unter.
Gesinnungsgenossen helfen ihnen mit Geld, Unterkunft, Pässen weiter. Die drei begnügen sich nicht mehr mit Attrapen, jetzt schießen sie und in Köln lassen sie eine Nagelbombe hochgehen. Ihre Opfer sind Türken, Griechen, alle die, die in ihrem Weltbild "unwertes Leben" sind und die Reinheit Deutschlands gefährden. Bis 2011 bringen sie neun Menschen um, die Morde werden zum Politikum, doch Polizei und Politik versichern unisono, dass es sich nicht um rechtsradikale Täter handele. Sie versteifen sich auf Bandenkriminalität. Dabei haben zwei Profiler unabhängig voneinander Täterprofile entwickelt, die den eigentlichen Tätern sehr nahe kommen. Doch was nicht sein kann, darf nicht sein und die Polizei verfolgt weiter die Spur organisierter Kriminalität, die Politker beklagen, dass die türkischen Gemeinden dichthalten würden und der Polizei nicht weiterhelfen würden. Dass sie nicht weiterhelfen konnten, weil die Täter gar nicht aus den türkischen Gemeinden kamen, auf diese Idee kamen sie nicht.
Das Buch entwirft ein erschreckendes Bild brauner Hilfsgemeinschaften, viele Helfer haben Kontakte zur NPD oder sind dort Funktionäre. Die Opfer werden willkürlich ausgewählt, Bekennerschreiben wurden nicht verschickt, sie wollten Angst und Terror verbreiten und das gelang ihnen.
Gut geschrieben folgt das Buch den Spuren der Täter bis zum bitteren Ende, versucht sie auch zu verstehen, selbst wenn das schwerfällt. Sie sind Menschen, keine Monster, aber genau das macht das Begreifen um so schwerer. Ebenso schwer fällt das Verstehen, warum sich Polizei und Politik so lange weigerten, die Spur des rechten Terrors zumindest als Möglichkeit in Betracht zu ziehen und stattdessen mit tödlicher Starrheit an ihren einmal gefassten Erklärungsmustern festhielten.
Der Hintergrund der rechten Szene bleibt aber blaß, zwar erwähnen die Autoren ab und an politische Statements von CDU Politikern, aber diese bleiben kurze, nichtssagende Schnappschüsse, zur Erklärung können sie nicht dienen. Ein paar der Organisationen, in denen die drei Täter radikalisiert wurden, werden genannt, "Blood & Honour", der "Thüringer Heimatschutz" taucht auf, aber auch sie bleiben blass.
Eine Beleuchtung des Hintergrunds fehlt, wie das zB Stefan Aust in seinem [[ASIN:3442469015 Der Baader-Meinhof-Komplex]] und andere Bücher geleistet haben. Aber die Ereignisse liegen noch nicht lange zurück, auf diesem Gebiet gibt es noch viel weniger Wissen als rund um die RAF. Überhaupt wäre der Vergleich mit der RAF spannend gewesen. Was ist ähnlich, was unterscheidet beide Terrorgruppen voneinander. Der rechte Terror ist ganz sicher ungerichteter, hemmungsloser, er will nicht einzelne Träger der Staatsmacht treffen, er will möglichst viele töten.
Ähnlich ist bei beiden die Abschottung, die dazu führt, dass die Gruppe sich immer weiter radikalisiert, die eigenen Taten nicht mehr reflektiert, dass es nur noch um "die Tat" geht, die die Befreiung bringen wird.
Fazit: Ein gutes, spannendes Buch über den rechten Terror, dem aber ein wenig Hintergrund fehlt.
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