Die Sprache des Feuers. Krimi.
Don Winslow, Suhrkamp, März 2012
Jack ist Brandermittler, erst für die Polizei, dann für eine Versicherung. Schadensregulierer, der die Schäden prüft - und notfalls feststellt, ob es Brandstiftung war.
Er weiß, womit er anfangen muss, wenn er in einem Gebäudebrand ermittelt. Und als er den kleinen Hund vor der Tür des abgebrannten Hauses sieht statt drinnen, schöpft er Verdacht. "Er weiß, dass Brandstifter nie ihre Hunde verbrennen. Sie verbrennen ihre Häuser, ihre Sachen, ihr Geschäft, ihre Papiere, sie verbrennen sich sogar gegenseitig, aber ihren Hund verschonen sie um jeden Preis. Bei jedem Feuerschaden, der sich als Brandstiftung herausstellt, ist der Hund zufällig irgendwo anders."
Bald verdichtet sich der Verdacht. Der Besitzer hatte Schulden, im Haus ist seine Frau verbrannt und die hatte ihn vor die Tür gesetzt. Sie war Alkoholikerin und hat im Bett geraucht, erklärt der Immobilienhai, der jetzt dringend Geld braucht. Geld, das ihm die Versicherung geben soll. Und der alte Kollege Jacks vom Branddezernat nickt das ab. Aber der will sowieso möglichst bald Angeln gehn. Und keinen Ärger.
Doch Jack ist keiner, der sich so leicht abwimmeln lässt. Und so lässt Don Winslow seinen Helden durch die Feuer Südkaliforniens marschieren, sich die Finger verbrennen, nimmt den Leser mit auf einer Tour durch Brandursachen, Techniken der Brandstiftung und erweckt das Feuer zum Leben. Wie es arbeitet, atmet und was es dem Ermittler verrät. "Es verläuft genau nach der Dramenkurve eines klassischen Dreiakters, Gentlemen. Und zwar im Rhythmus einer Liebesaffäre: Oxidation, erster Akt: Die Schwelphase. Die Liebeswerbung, wenn Sie so wollen."
Schon das ist außergewöhnlich. Dass ein Autor es schafft, uns von der Entstehung, dem Verlauf und dem Höhepunkt von Bränden zu erzählen und wir hängen atemlos an seinen Lippen.
Doch Winslow kann weit mehr. Bei ihm fallen Spannung, Plot und Stil gleichermaßen in eins. Viele Thrillerautoren beherrschen die Spannung, aber die Sprache lässt zu wünschen übrig. Nicht so Winslow. Ich kenne wenige Autoren, bei denen jedes Wort so genau sitzt wie bei ihm, der gleichzeitig so genial das Klavier der Spannung beherrscht.
Er kann die erste Immobilienblase in den USA Ende der Achtziger zum Leben erwecken (und glaubt mir, sie verlief genauso wie die jüngste auch), bringt wieder einen Ermittler der hardboiled Sorte, Marke einsamer Wolf, ins Spiel und doch liest der sich neu und unverbraucht. Die amerikanische Versicherungsbranche gerät ins Visier, die Techniken der Entschädigungszahlungen, die Surfszene, vietnamesische und russische Mafia und wenn jemand etwas mit wenigen Worten eindrücklich schildern kann, dann ist es Don Winslow. "Statt Kanonen, denkt Billy, haben wir jetzt Anwälte. Die sind nicht so schnell, aber mindestens genauso tödlich und viel, viel teurer."
Nach dem Lesen musste ich aufwachen und mir die Augen reiben, damit ich begreife, dass ich nicht in Monarch Bay, sondern in Freiburg bin. Und keine Brandbeschleuniger nachweisen muss.
Vor Winslow könnte man niederknieen, aber das geht nicht, weil man ja das Buch zu Ende lesen muss, unbedingt, und das geht im Knieen schlecht.
Zu meckern gibt’s eigentlich nur Eins: Warum wird dieses Buch von 1999 erst jetzt in Deutschland veröffentlicht?
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