Spannend Schreiben. Schreibratgeber.
Christian Schärf, Bibliographisches Institut, 2012

Spannend Schreiben

»Wie erzeugt man eigentlich Spannung beim Schreiben?«, diese Frage will das kleine Buch beantworten.

»Die Signalformel ‚spannend‘ zeigt jeweils an, ob ein gebotener Vorgang, eine Situation oder ein Erlebnis in einem rezeptionsästhetischen Sinne ansprechend ist, ob das Gebotene einen hohen Grad von Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermag. Damit wird immer auch ein inszenatorisches Moment angesprochen« sagt das Vorwort und bereitet den Leser auf einen Stil vor, der sich vor allem durch Umständlichkeit, der Ersetzung von Verben durch Substantive (Nominalstil) und durch reichlich Passiv auszeichnet. Kurz: Der Stil ist alles andere als spannend, manchmal sehr mühsam zu lesen und der Leser ist entzückt, wenn endlich mal wieder Umberto Eco, Patricia Highsmith oder Raymond Chandler zitiert werden, die zeigen, dass man auch spannend über Spannung schreiben kann.

Selbst in den Übungsaufgaben, die erfreulicherweise im Buch enthalten sind, findet sich dieser Stil: »Versuchen Sie, zunächst ganz vereinzelte, dann immer dichter werdende Anzeichen des Fremdwerdens und der Unheimlichkeit einzustreuen.« Des »Fremdwerdens«, wozu Verben, wenn es Substantive viel umständlicher sagen können?

Wenn es je des Beweises bedurft hätte, dass Stil bei Spannungsliteratur keineswegs nebensächlich ist, dieses Buch hätte ihn geliefert. Dass Nominalstil, Passivkonstruktionen, Hilfsverben statt aktiven Verben der Spannung abträglich sind, findet sich in zahlreichen Schreibratgebern - der Autor dieses Buches behandelt die Sprache aber nur ganz am Schluss und sehr stiefmütterlich.

Dafür wird eine ausführliche Geschichte der Spannungsliteratur geboten, mit Beispielen aus »Dracula«, Edgar Allen Poes Kurzgeschichten, Hofmannsthal und »Sherlock Holmes«. Diese Teile sind denn auch das Interessanteste an dem Buch. Ausführlich wird referiert, welche Elemente in welchen Büchern vorkommen, vom Grauen des Wetters (der Autor liebt das Wort »Grauen« außerordentlich) bis zu den verschiedenen Formen der Labyrinthe in denen sich Ermittler bewegen und verfangen können. Leider fehlt auch hier eine Diskussion darüber, wie ein Autor das alles verwenden kann. So wird Wetter einfach umstandslos als Möglichkeit des Spannungsaufbaus dargeboten. Dass schon Snoopy mit der stürmischen und regnerischen Nacht bei Verlagen und Lesern keine Spannung aufbauen konnte, fehlt im Buch. Bei Schreiben kommt es immer auch auf das »Wie« an, Wetter eignet sich auch heute als Spannungsmoment. Aber die unzähligen Manuskripte, die Lektoren täglich mit einer stürmischen und regnerischen Nacht erhalten, beweisen, dass es kein Mittel ist, das immer und überall funktioniert. Im Gegenteil, es kann zum kräftigen Gähnen beitragen.

Weswegen ich den Eindruck gewinne, dass der Autor sich nicht hat entscheiden können, ob er nun einen Praxisratgeber schreiben wollte oder eine literaturwissenschaftliche Abhandlung. Vieles ist in Stil und Inhalt literaturwissenschaftlich, interessant, aber für die Frage: »Wie schreibe ich spannend?« eher unwesentlich. Der alte Zwiespalt zwischen Theoretikern und Praktikern.

Zeigen lässt sich das am Beispiel des Dialogs. Dieses sehr wichtige Element der Spannungsliteratur behandelt er am Rande mit einem Beispiel von Simenon. Wie man derartige Dialoge aber schreiben kann, das interessiert ihn nicht. Sol Stein hat das in »Über das Schreiben« weit eindrücklicher und praxisrelevanter beschrieben.

Dabei kann Christian Schärf durchaus auch anders. Nicht überall holpert und pumpert die Sprache wie ein bürokratisches Paragraphenwerk, er beherrscht durchaus die Fähigkeit, gut und lesbar zu schreiben. Leider fällt er immer wieder in seine sehr wissenschaftliche Sprache zurück. Eine, die garantiert nicht spannend ist. So verwenden die Autoren bei ihm »die Kunst des Plottings«, dass sie einfach »plotten«, war ihm wohl zu banal. Gut ist eine ausführliche Literaturliste am Schluss, bei der allerdings Sol Steins grundlegendes Buch »Über das Schreiben« fehlt.

Fazit: Ein Schreibratgeber, der sich nicht entscheiden kann, ob er ein literaturwissenschaftliches Werk sein will oder ein praktischer Ratgeber. Weswegen er an »Suspense« von Patricia Highsmith, »Mr. Hitchcock, wie haben sie das gemacht« und andere Bücher nicht heranreicht. Auch Sol Stein »Über das Schreiben« und Freys »Wie man einen verdammt guten Roman schreibt« verraten weit mehr über Spannung - was immer man dem Letzteren auch bezüglich Vereinfachung vorwerfen könnte.

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