Mr. Amazon: Jeff Bezos und der Aufstieg von amazon.com. Sachbuch.
Richard L. Brandt, Ambition, März 2012

Mr. Amazon

Die einen hassen es, weil es angeblich die deutsche Buchkultur bedrohe, die anderen lieben es, weil es so anwenderfreundlich sei. Aber kalt lässt Amazon niemanden.

Richard Brandt schildert die Entwicklung Jeff Bezos, des Amazon Gründers und die Entwicklung Amazons von der kleinen Start-Up Klitsche bis zu dem Giganten heute. Das ist interessant, weil es so manche Falschmeldung korrigiert und auch daran erinnert, dass vieles, das wir heute für selbstverständlich erachten, von Amazon erfunden wurde und das oft gegen die Mahnungen von Kritikern. Als Amazon seine Leserrezensionen online stellte, erklärte es die Konkurrenz für verrückt, weil es auch negative Kritiken zuließ.

Amazons Gründer Jeff Bezos war von frühester Jugend an ein Nerd, der sich in Computer verliebte, als er den ersten zu Gesicht bekam. Diese Liebe dauert bis heute an. Aber er war auch eine Leseratte, die sämtliche SF-Bücher las, die sie bekommen konnte. Logischerweise studierte er Computing Science, legte eine steile Karriere hin und beschäftigte sich mit der Vernetzung von Computern. Als das Internet entstand, erkannte er sofort die Möglichkeiten, die es bot. Und er wollte das beste und größte virtuelle Kaufhaus schaffen, eines, das kundenfreundlicher war als alle anderen.

Eigentlich hätte er mit jedem beliebigen Produkt sein Projekt starten können, doch er wählte aus drei Möglichkeiten aus, die er kannte: Software, Bücher und Musik. Perfektionistisch, pedantisch wie er war, wog er die Vor- und Nachteile jedes der drei ab und startete mit Büchern. Diese perfektionistische Planung, die fanatische Sucht, auch jedes noch so unwichtige Detail in die Planung einzubeziehen, sollte auch später der wichtigste Grund für Amazons Erfolg sein. Dass er aber Wirtschaftswissenschaft studiert habe und nach deren Vorgaben seinen Erfolg berechnete, stimmt nicht. Ebenso falsch ist die Behauptung, dass er gar keine Beziehung zu Büchern hat. In seiner Jugend war er eine Leseratte und ist mit einer Schriftstellerin verheiratet, die für Toni Morrison gearbeitet hatte.

Im Gegenteil, die Geschichte Amazons ist reich an Beispielen, dass Bezos keinerlei Hemmungen hatte, gegen eherne WIrtschaftsgesetze zu verstoßen und Risiken einzugehen. Die ersten Jahre bis ins Jahr 2000 machte Amazon nicht nur keinen Profit, Bezos verkündete gar, dass dies sein Ziel sein. Er wolle erst das perfekte anwenderfreundliche Kaufhaus schaffen, dann werde der Profit schon kommen. Die Dot-Com Blase 2000 zwang ihn dann doch zu profitsteigernden Maßnahmen wie Massenentlassungen und Einsparungen.

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg war auch die Bereitschaft, auf die Kunden zu hören. Kaum eine andere Firma nahm Kundenbeschwerden oder Anregungen so ernst wie Amazon und auch innerbetrieblich war die Bereitschaft, mit neue Ideen zu experimentieren weit größer als üblich.

Kein Wunder, dass in Umfragen Amazon immer wieder die Nummer eins bei Kundenzufriedenheit wurde.

Eine weitere Konstante in Jeff Bezos' Plänen war der Glaube, dass Computeralgorithmen Kunden besser beraten können als menschliche Verkäufer. Darüber wird immer noch heftig gestritten, Fakt ist, dass Amazons "Andere Kunden haben auch gekauft"-Hinweise oft erstaunlich gut funktionieren.

2000 wollte Bertelsmann zusammen mit der amerikanischen Buchhandelskette Barnes und Nobles Amazons Wachstum stoppen. Beide waren damals noch erheblich größer und einflußreicher als der Newcomer, der keine Gewinne machte. Wallstreet-Analysten war klar, wer der Gewinner sein würde: Natürlich Bertelsmann. Sie irrten, übrigens nicht zum letzten Mal. Als Amazon mit dem Lesegerät Kindle auf den Markt kam, hatten schon mehrere Firmen mit solchen Geräten Schiffbruch erlitten. Doch Jeff Bezos wiederholte nicht die Fehler seiner Vorgänger. Der Kindle war passgenau auf die Leser zugeschnitten, Perfektionismus und Liebe zum Detail sorgten dafür, dass er kein Flop wurde wie seine Vorgänger.

Wie sehr Amazons Erfolg darauf beruht, dass es kundenorientiert arbeitet, zeigt sich oft im Detail. Seit vielen Jahren gibt es dort Leseproben - die Konkurrenz hat es bis heute nicht verstanden, wie wichtig dies ist und bietet das nur in Ausnahmefällen an.

Das Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Aufstieg Amazons, die Entwicklung der letzten Jahre ist eher oberflächlich beschrieben. Wer etwas über Jeff Bezos Privatleben erfahren will, wird ebenfalls enttäuscht. Das Buch handelt von Amazon und Bezos' Firmenphilosophie, privates findet sich fast gar nicht.

Interessant ist natürlich die Entwicklung von Amazon und auch diese Mischung aus Geschäftssinn mit der fast schon fanatischen Vision, dass Software und Vernetzung die Menschen und vor allem die Kunden glücklich machen werde. Ähnliches findet sich bei Apple, Steve Jobs scheint ein Zwillingsbruder von Jeff Bezos zu sein, was seine berufliche Karriere angeht. Die gleiche Hingabe an Details, verbunden mit visionärem Blick auf die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, Geschäftsinn gepaart mit einer fast religiösen Vision, der man alles hintanstellt. In diesem Punkt irrt das Buch, das behauptet, Steve Jobs habe eine Vision gehabt, Jeff Bezos denke nur an den Profit. Das Buch selbst zeigt das genaue Gegenteil.

Fazit: Wer wissen will, warum Amazon so erfolgreich, so groß wurde, der erfährt es hier. Ein gutes Buch das zeigt, dass Amazon nicht aufgrund irgenwelcher bösen Mächte groß wurde, sondern aufgrund seiner Kundenorientierung.

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Das Buch bei Amazon

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