Kommissar Pascha. Krimi.
Su Turhan, Knaur Januar 2012

Kommissar Pascha

»Ziemlich genau vor einem Jahr fasste Kommissar Zeki Demirbilek einen Entschluss: Er wollte statt jeden Sonntag nur noch jeden zweiten Sonntag Schweinebraten essen. Zum einen wegen der Kalorien, zum anderen hatte er ein schlechtes Gewissen. Denn dem Münchner türkischer Abstammung war sehr wohl bewusst, mit den Essgewohnheiten gegen die Regeln seines Glaubens zu verstoßen.
Nur, er konnte nicht anders.
Obwohl seine Eltern Fatma und Zülfü ihrer Pflicht nachgekommen waren und ihren einzigen Sohn in die Koranschule schickten, wie es die Tradition verlangte. Bis zum zwölften Lebensjahr lernte Zeki, den Koran zu lesen, und wurde in religiösen Fragen unterrichtet. Dies war ein selbstverständlicher Bestandteil seines Alltags. Bis zu dem Tag, an dem seine Eltern sein Leben auf den Kopf stellten.«

Zeki Demirbilek liebt Münchener Schweinebraten und Istanbul und hat Pascha-Allüren. Außerdem ist er Kommissar der Münchener-Kripo und jetzt soll er das Sonderdezernat für Schwerkriminalität mit Migrationshintergrund leiten.

Und der Münchener Eisbach schwemmt ihm auch gleich eine Leiche zu. Gut, dass die junge Kollegin Kollegin Jale Cengiz mit türkischem Temperament und Berliner Schnauze das Team verstärkt. Sie ist vor ihrem jüngeren Bruder nach München geflohen, der seit dem Wegzug des älteren Bruder die Tugend seiner Schwester bewachen will.

Hinzu stößt die niederbayrische Kollegin Isabel Vierkant, und Pius Leipold, ebenfalls ein Pascha, allerdings das bayrische Modell. Ein wenig erinnert es an Adler-Olsens Thriller um das Sonderdezernat Q, aber Turhan kann mit seinem bayrisch-türkischem Milieu sehr eigene Akzente setzen. Und alleine diese Milieuschilderung macht dieses Buch zu etwas Besonderem, Ungewöhnlichem.

Da ist die Ehefrau des Ermordeten, die in Ganzschleier auf der Polizeirevier erscheint, aber ohne Hemmung über den verblichenen Ehemann und dessen Fehler herzieht - "Er hätte nie geboren werden dürfen!". Da ist Süleyman Güzelogu, Chef einer großen Döner-Kette, dessen Tocher immer wieder in den Jet-Set Postillen auftaucht und deren Eskapaden zu unterbinden er längst aufgegeben hat: Nur Jungfrau soll sie bleiben, das ist ihm wichtig. Denn er will sie mit dem Sohn seines alten Freundes in Istanbul verheiraten und so deren beiden Gesellschaft zu einem internationalen Player machen. Gül ist einverstanden, sie genießt es, die Männer mit ihrem Outfit heiß zu machen, an Sex hat sie aber kein Interesse.

Wie Gül stehen auch die anderen Figuren im Roman zwischen Tradition und Moderne. Nicht, weil sie zwangsverheiratet oder ehrengemordet werden - sonst die übliche Lösung in Krimis -, sondern weil ihnen Familie und Traditionen wichtig sind und sie gleichzeitig auf die eine oder andere Art auch die Moderne schätzen.

Selbst Nebenrollen kann Sur Turhan eindrücklich schildern. Etwa Antonia, die in einem Wellness Puff vor und hinter der Theke arbeitet, mit viel Selbstsicherheit geschult durch ihre Arbeit mit Männern, die auch ein türkischer Kommissar nicht so leicht erschüttern kann.

So gehört dieses Buch zu den wenigen, die gleich zweimal gelesen habe. Und nur eins kann ich dem Buch vorwerfen: Bei der Vielzahl der Personen wäre eine Personenliste zum Nachschlagen sehr nützlich. Doch das ist auch schon das einzige, das ich kritisieren kann.

Mit kurzen Szenen, flüssigem Stil schlägt das Buch den Leser in Bann. Für Fans von Georges Simenon und Friedrich Ani, aber auch für jeden, der einmal andere Milieus erleben will, genau das Richtige.

Hoffen wir, dass das nicht das einzige Buch um Kommissar Pascha und seine Crew bleibt!

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