Mein letztes Gefecht. Sachbuch.
Peter Schütt, Anita Tykve Verlag, 1992

Mein letztes Gefecht

Die DKP war die westdeutsche Filiale der DDR Staatspartei SED, auch wenn dieser Zusammenhang oft geleugnet wurde.

Peter Schütt hat zwei Jahrzehnte in ihr gelebt, sie war seine Familie, er trat in die Partei ein, wie in eine Kirche, auch als Sühneopfer für seinen faschistischen Vater. Die Partei schenkte ihm ein chronisch gutes Gewissen und ein Schwarz Weißbild der Wirklichkeit, mit dem sich alles erklären ließ: Die Reaktion war böse, vom CIA und BND ferngesteuert, die fortschrittlichen Kräfte (sprich: die Partei) gut und würde irgendwann siegen, auch wenn die böse Reaktion mit finsteren Machenschaften die Arbeitermassen manipulierte, so dass diese leider nicht die wählten, die ihre wahren INteressen vertrat, nämlich die Partei der Arbeiterklasse.

Peter Schütt schildert eine Fülle von Szenen aus diesem "fortschrittlichen" Lager. Anders als manch anderer beschränkt er sich nicht auf die Auseinandersetzung mit der Theorie der Partei, sondern schildert eine Fülle von Szenen, die das Lebem im diesem Lager schildern. Das lässt die Szenerie lebendig werden und er verfällt nicht in den Fehler anderer Konvertiten, die einfach alles, was sie früher getan und gedacht hatten, verteufeln und sich eine neue Weltsicht zulegen, die sie genauso fanatisch verteidigen.

Er schildert, wie er in Alma Atta in der Sowjetunion eine junge Frau kennenlernt, in die er sich verliebt, von der er glaubt, dass sie der Beweis für die Richtigkeit des Sozialismus sei. Zwanzig Jahre später erfährt er die Wahrheit: Kaum dass der KGB seine Verliebtheit bemerkte, zwang er die Frau, mit ihm Kontakt zu halten, Briefe zu schreiben, die vom KGB diktiert wurden. Der Mann der Frau wurde auf einem Atom-U Boot so verstrahlt, dass er daran später starb. Er hatte mit anderen Physikern sich für den Dissidenten Sacharow eingesetzt, der Dienst auf dem Atom-Uboot war die Strafe.

Wie kam es zu dieser Verblendung, die einfach nicht wahrnehmen konnte, nicht wahrnehmen wollte, was tatsächlich im Arbeiterparadies geschah? Und wenn es doch mal gelang, etwa bei der Ausbürgerung Biermanns, gegen die Schütt protestierte, dann holte ihn die Partei bald wieder zurück auf den rechten Pfad, man muss zusammenhalten gegen die Reaktion.

Peter Schütt hatte sich auch engagiert an der Vergangenheitsbewältigung des westdeutschen VS (Verband deutscher Schriftsteller) beteiligt. Auch der war in den Siebziger- und Achzigerjahre sehr DDR nahe und dass ein Autor so offen über seine Vergangenheit schrieb, wurde ihm von vielen als "Nestbeschmutzung" ausgelegt, er selbst als "Renegat" beschimpft. Dieser Teil seiner Biographie findet sich leider kaum in dem vorliegenden Buch, wohl aber in dem Buch „ Die Biermann-Ausbürgerung und die Schriftsteller. Ein deutsch-deutscher Fall. Protokoll der ersten Tagung der Geschichtskommission vom 28. Februar bis 1. März 1992 in Berlin“.

Was aber auch aus Schütts Buch klar wird. Sosehr die DDR und die SED die DKP steuerte, die Mitglieder waren keine Marionetten, sondern Überzeugungstäter. Die manchmal opponierte, aber immer hing das Damoklesschwert des Ausschlusses über ihren Köpfen, die Angst, "der Reaktion zu nützen". Beides trieb sie schnell wieder zurück in den Schoß der Partei, der ruhmreichen, antifaschistischen Hauptverwaltung ewiger Wahrheiten, die anzuzweifeln so sinnlos war, wie die Naturgesetze anzuzweifeln.

Neben unterschiedlichen Artikeln über die DKP, aus der DKP und der revolutionären Weltbewegung finden sich viele Gedichte Schütts aus der Zeit. Lange war er Hausdichter der Partei.

Dass die DKP viele Züge einer Sekte hatte, das wird in dem Buch deutlich. Vor der DKP war Schütt begeisterter Katholik gewesen, auch dort fest von der richtigen Weltsicht überzeugt. Mittlerweile ist er ebenso begeisterter, ebenso naiver Muslim geworden.

Fazit: Wer sich für die Siebziger und Achziger Jahre interessiert, erfährt hier eine Menge beklemmendes Material. Schade, dass es das Buch nur noch antiquarisch zu kaufen gibt.

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