Auf Bewährung. Sachbuch.
Robert Pragst, dtv, November 2011

Auf Bewährung

Der junge Robert Pragst kommt im Rahmen seiner Ausbildung zur größten Staatsanwaltschaft Deutschlands: Berlin Moabit. Fürchterliches hat er vorher über diese Riesenbehörde gehört, über Praktikanten mit Weinkrämpfen und Vorgesetzten, die diese quälen, über starre Diensthierarchien und Mobbing, kurz: Moabit, so stellen es sich die vor, die nie dort waren, ist die Hölle persönlich.

Doch Pragst lernt ein anderes Moabit kennen. Eine riesige Behörde, sicher, doch quälen ihn weniger die Kollegen oder Vorgesetzten, als vielmehr die Flut von Akten, die über ihn hereinbricht, die Zahl der Fälle, denen er sich oft gar nicht so gründlich widmen kann, wie eigentlich nötig. Die Gürteltiere, dicke Aktenbündel mit Gürteln zusammengebunden, stapeln sich auf seinem Tisch, jeden Tag kommt Nachschub und lässt sich nur mit vielen Überstunden (unbezahlt, versteht sich) abarbeiten. Denn der Berliner Senat muss sparen und er spart eben auch an Staatsanwälten.

In diesem Buch liefert der Autor uns eine anschauliche Schilderung der Arbeit eines Staatsanwaltes, schildert uns anschaulich die unterschiedlichsten Fälle und die oft dubiosen Vorschriften, die ihm zusätzlich Zeit kosten, ohne dass ein Nutzen ersichtlich wäre.

Durch das Buch begleitet uns ein Fall eines gewalttätigen Räubers, an dessen Entwicklung wir sehen, wie Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen arbeiten, oft scheitern und am Ende doch gewinnen. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, manchmal mehr als langsam. Erstaunlicherweise bringen sie trotzdem oft Ergebnisse zustande, trotz aller Unvollkommenheiten und trotz der chronischen Unterbesetzung in der Staatsanwaltschaft. In anderen Fällen muss sich Pragst mit einem Freispruch abfinden, etwa im Falle einer Vergewaltigung, in der er den Täter für absolut schuldig hält. Doch das Gericht glaubt nicht an die Schuld des Angeklagten und spricht ihn frei. Eine bittere Pille für den jungen Staatsanwalt, der dennoch weiß, dass es das Wesen eines Rechtsstaates ist, nur die zu verurteilen, deren Schuld zweifelsfrei feststeht. Und gerade dieser Prozess zeigt, wie schwierig das oft zu entscheiden ist. Als Leser würde ich dem Staatsanwalt folgen und sagen: Es war eine Vergewaltigung. Aber als Richter würde ich ebenfalls letzte Zweifel haben - und dann muss man freisprechen.

Was macht diese Arbeit mit den Menschen, die sie tun? Stumpfen sie ab, weil sie zu viel menschliche Bosheit erleben müssen? Wie lebt man damit, dass gefährliche Täter, die man für schuldig hält, dann doch vom Gericht freigesprochen werden, weil letzte Zweifel an der Täterschaft nicht ausgeräumt werden konnten?

Das Buch bietet einen lehrreichen Einblick in die reale Arbeit von Staatsanwälten, ganz anders, als sie uns mancher Krimi schildert. Lässt uns die unterschiedlichen Menschen erleben, die dort arbeiten, den Frust und den Arbeitsdruck, die Routine, die man im Laufe der Arbeit gewinnt. Und Pragst kann spannend erzählen, für so ein Buch lasse ich gerne so manchen Krimi liegen.

Übrigens bleibt der Kollege von Pragst, der mit ihm und mit schlotternden Knie in Moabit angefangen hat, danach in Moabit. Er hat sich für den Beruf des Staatsanwaltes entschieden. Wir sollten ihm dankbar sein. Dass trotz aller Widrigkeiten, sinnloser Vorschriften und mangelnden Stellen die Justiz dennoch erstaunlich gut funktioniert (trotz mancher Fehlurteile), das verblüfft und erstaunt den Leser dieses Buches. Und beruhigt auch ein bißchen.

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