Schwarzlicht. Kriminalroman.
Horst Eckert, Wunderlich, September 2013

Schwarzlicht

»Für die Handvoll Demonstranten hinter der Absperrung war der Fall klar: Profitgier, Ausbeutung, die korrupte Politik.
Vincent stapfte durch aufgeweichte Erde. Kein Grün, so weit er blicken konnte. Die Seestern-Arkaden sollten hier entstehen, ein von Beginn an umstrittenes Projekt der Osterkamp-Entwicklungsgesellschaft. Das Schild an der Zufahrt zeigte eine Computergraphik mit transparenten Fassaden, Bäumen und blauem Himmel. Dazu den Slogan: Die Zukunft beginnt jetzt.
Der Wind trug Protestparolen herüber und das Rauschen der nahen Schnellstraße. Davon abgesehen war es still, seit der Nacht ruhte die Arbeit, wo sonst die Maschinen rund um die Uhr dröhnten. Uniformierte suchten das Gelände ab – vielleicht lag irgendwo ein weggeworfener Benzinkanister.«

Ein Ministerpräsident, der in einem teuren Loft tot aufgefunden wurde, war es Selbstmord oder Mord? Er ließ die Büros der Oppositionspartei verwanzen - oder wusste er gar nichts davon und die Opposition war selbst der Täter? Was ist mit dem Baulöwen, der ihm teure Urlaube spendiert hatte und den Schwarzgeldkonten? Dazu ein Kommissar, dessen Mutter bei der RAF war und der Opa bei Einsatzkommandos in Polen.

Klingt das alles nach einem überfrachteten Kolportageroman, der sämtliche Politevents der letzten Jahre ausschlachten will?

Ja. Aber ein Spitzenkoch zeichnet sich dadurch aus, dass er aus den üblichen Zutaten ein höchst unübliches Dinner zaubern kann. Und Horst Eckert beweist, dass das auch für Romane gilt. Vieles in dem Krimi haben wir in anderer Form bereits gelesen, von Wulff bis Barschel, von Meinhof bis Schleyer. Doch Eckert webt daraus ein Sittengemälde bundesdeutscher Realitäten der ganz eigenen Art. Bevölkert mit Menschen, die man oft nach wenigen Sätzen schon zu kennen meint, etwas Klischee, etwas eigenes Profil. Wie Menschen in Deutschland eben sind.

Alles beginnt mit dem Brand auf einer Baustelle. Der Baulöwe beschäftigt Arbeiter aus der Ukraine, die er in einem Zelt unterbringt. Die Zeltplane war nicht feuerfest, es gab nur einen Feuerlöscher, der zudem leer war und in dem Zelt hätten auch bestenfalls Baumaschinen untergebracht werden dürfen. Jetzt sind drei der Ukrainer tot. Und die Behördenleitung dreht durch, die Medien wittern einen neuen Anschlag, die Kripo bekommt von allen Seiten Druck.

Dann wird der Ministerpräsident tot im Schwimmbecken des Lofts gefunden, das nicht ihm, sondern dem Baulöwen gehört. Und nur der pedantischen Arbeit von Vincent Veih ist es zu verdanken, dass doch noch Zweifel an der Selbstmordthese auftauche. Veih hat gerade die Leitung der Dienststelle übernommen. Kein angenehmer Vorgesetzter, meint mancher, mischt sich überall ein und zu pedantisch. Dieser Veih hat außerdem eine Mutter, die bei der RAF war und wurde von dem Opa großgezogen, einem Urgestein der Düsseldorfer Polizei. Und über seine Beförderung ist er voller Zweifel: Mit dem Team etwas trinken gehen – er fragt sich, ob das endgültig der Vergangenheit zählt.

Mit geschickter Hand verwebt Eckert bekannte Ereignisse und eine Vielzahl von Personen zu einer ganz neuen Geschichte, die ein spannender Krimi ist und gleichzeitig ein Sittengemälde deutscher Wirklichkeiten. Ein toter Politiker, der zunächst als Selbstmord präsentiert werden soll, dann ist es doch Mord; eine Ehefrau, der angeblich die Affären ihres Mannes nichts ausmachen; eine Ex-Terroristin, die sich mit Kunst durchs Leben schlägt und keine Hemmungen hat, ihre terroristische Vergangenheit für ihre neue Karriere auszuschlachten; Kollegen, die intrigrieren und andere, sich anpassen, wenn auch mit schlechtem Gewissen; Journalisten, die hinter der großen Story her sind und dann doch die Wahrheit senden; dazu die Polizeiarbeit.

Und die besteht ausnahmsweise mal nicht aus dem Hauptkommissar und seinem Kollegen, sondern aus einer richtigen Mordkommission. Eckert kennt sich aus, das merkt man auf jeder Seite seines Romans. Obendrein versteht er sein Handwerk, da ist kein Wort zuviel, da sitzt jeder Satz und zieht den Leser in die Geschichte hinein. Gerade die prägnanten Schilderungen sind es, die die Geschichte wie einen Film ablaufen lässt. Alltag, wie wir ihn oft erlebt haben, wir wussten gar nicht, dass er so spannend beschrieben werden kann.

Das Buch zeigt, was ein Krimi alles sein kann: Spannende Unterhaltung und Sittengemälde, Polizeiarbeit und Alltag und vor allem: Ein neuer Blick auf Altbekanntes.

So kann ich nur ein Fazit ziehen: Ein Muss für Krimifans.

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